Ich sortiere mich erst mal am Ende des Feldes ein. Da ich ja keinerlei Ahnung über den Verlauf der Strecke habe, lasse ich es lieber gemütlich angehen. Auf Holzbohlen verlassen wir nach ein paar hundert Metern den Hafen und laufen durch ein Wohnviertel stadtauswärts. Die Strecke führt schnurgerade immer leicht ansteigend raus aus Wexford. Ich habe mich inzwischen einer kleinen Gruppe angeschlossen und entdecke auch den Pacer für 4:30 Stunden im Feld. Ob ich mit ihm mithalten kann, weiß ich zwar nicht, aber momentan fühlt sich das Tempo gut an.
Unser nächstes Ziel wird Murntown sein. Ein kleiner Stadtteil von Wexford, den wir nach gut fünf Kilometern erreichen. Immer wieder geht es leicht bergan, dann wieder bergab. Wir laufen nun auf einer typischen irischen Landstraße. Die Straße ist links und rechts von Büschen gesäumt und erlaubt kaum einen Blick auf die Landschaft. Die Strecke ist übrigens zu keiner Zeit für den Autoverkehr gesperrt, doch dies stellt zu keiner Zeit ein Problem dar. Ist die Strecke mal unübersichtlich, bleiben die Iren geduldig und zuckeln halt einfach hinter einem her, bis sich eine Überholmöglichkeit ergibt.
Wir haben nun Murntown erreicht und ich schließe auf Dinny Johnston auf. Er hat wohl eine private Verpflegungsstation, denn aus einem Kofferraum bekommt er ein Schinken-Käse-Sandwich gereicht. Wie selbstverständlich fragt er mich, ob ich auch eine Ecke haben will und natürlich greife ich zu. Gemeinsam traben wir nun nebeneinander her und vertilgen gemeinsam das Sandwich. Die nächsten Kilometer teilen wir uns und unterhalten uns über Gott und die Welt. Dass wir in Deutschland auf den Autobahnen keine Geschwindigkeitsbegrenzungen haben findet Dinny unglaublich.
Nach Murntown biegen wir rechts ab und nun zeigt sich Irland von seiner schönsten Seite. Durch endlos scheinende Waldgebiete schlängeln wir uns weiter und müssen auch den ein oder anderen Höhenmeter wieder in Kauf nehmen. Wir überqueren den Forth Mountain, der unglaubliche 237 Meter hoch ist. Doch wenn man bedenkt, dass wir ja nahezu auf Meereshöhe gestartet sind, ist das doch eine ordentliche Aufgabe, die da vor uns liegt. Doch wir werden mit einer grandiosen Aussicht belohnt. Wenn es die Randvegetation zulässt, haben wir einen kilometerweiten Ausblick über Wexford County. Obwohl es bei diesem Lauf keinerlei Sehenswürdigkeiten am Streckenrand gibt, wird es nie langweilig. Die Landschaft ist Sehenswürdigkeit genug.
Schließlich geht es den Forth Mountain auch wieder hinunter und man kann es eine Zeit lang so richtig schön laufen lassen. Dinny enteilt mir hier trotzdem und ich bin wieder völlig alleine unterwegs. Allerdings hat man alle 2,5 Kilometer eine Verpflegungsstation, wo ich steht`s ein paar Gummibärchen verdrücke und mit Wasser oder Cola nachspüle. Die Strecke ist auch stets perfekt ausgeschildert, so dass ich zu keiner Zeit Probleme mit der Orientierung habe. Die Ortschaft Taghmon ist unser nächstes Ziel, die nach wenigen hundert Metern durchlaufen ist. Am Ende gibt`s wieder Gummibärchen und Wasser. Die Helferin an der Verpflegungsstelle frägt mich, ob ich hier schon mal gelaufen bin, was ich natürlich verneine. Du bist jetzt bei Meile 16. Mir dämmerte, dass Dee diesen Punkt schon mal erwähnt hatte und die Helferin erklärte grinsend, dass es von nun an ein gutes Stück bergauf geht.
Wir waren nun an der südlichen Seite des Forth Mountain angelangt und diesen galt es nun ein zweites Mal zu überqueren. Es waren am Ende zwei Meilen, also über drei Kilometer, die es stetig bergauf ging. Immer wieder dachte ich, ich hätte das Ende erreicht, dann kam wieder eine Kurve und es ging von neuem bergauf. Kuhweiden und Wiesen säumten den Weg und wir wurden wieder mit einer herrlichen Aussicht belohnt. Mitten im Wald wies mich schließlich einer der wenigen Streckenposten darauf hin, dass ich nun den höchsten Punkt der Stecke erreicht hätte und es nun fast nur noch bergab gehen würde. Meine Laufuhr zeigte nicht mal 200 Höhenmeter an.
Nach einer kurzen Wendeschleife im Wald ging es nun tatsächlich wieder bergab. Nun schloss ich auf Margaret Sludds auf, die offenbar mit ihren Schuhen zu kämpfen hatte. Am linken Schuh hatte sich an der Ferse die Sohle gelöst und störte nun empfindlich beim Laufen. Ich bot ihr meine Hilfe an und versuchte das lose Teil abzureisen, was mir jedoch nicht gelang. Ein paar Minuten später sorgte das Kuchenmesser eines Helfers für Erlösung. Kurz darauf hatten wir Wexford auch schon wieder erreicht und die letzten Kilometer durch die Stadt lagen vor uns.
Da ich keine Ahnung hatte, wo sich das Ziel befand, orientierte ich mich mit den Restkilometern einfach an meiner Uhr und gab auf den letzten beiden Kilometern noch mal ordentlich Gas. Wie vereinbart konnte ich 500 Meter vor dem Ziel noch die bayerische Fahne aufnehmen und so zufrieden ins Ziel einlaufen. Neben Silke erwartete mich auch Dee, die mir meine Finisher-Medaille überreichte. Kurz darauf gab es auch das versprochene Guinness. Frisch gezapft und eiskalt, das beste Guinness, das ich jemals getrunken habe. Dee erhielt von mir im Gegenzug ein bayerisches Bier und wir stießen gemeinsam auf einen tollen Marathon an. Nach ein paar gemeinsamen Erinnerungsfotos verabschiedete ich mich schließlich von Dee und schloss ein Wiedersehen natürlich nicht aus. |