Weiter geht es über die Äußere Neustadt bis zur Stauffenberg Allee. Die Äußere Neustadt ist auch als Antonstadt bekannt, benannt nach dem sächsischen König Anton und gilt heute als Szeneviertel Dresdens. Kaum eine Fassade wurde hier von Graffitis verschont, hat dennoch (oder deshalb) ein ganz eigenes Flair. Durch den Waldschlößchentunnel und über die Waldschlößchenbrücke geht es nun in die Stadtteile Johannstadt und Gruna. Die Waldschlößchenbrücke war lange Thema in den Medien. Die Rechtmäßigkeit des Baus wurde durch Gegner angezweifelt und es stand sogar der Abriss des 181 Millionen Euro teuren Baus zur Diskussion. Die Brücke kostete dem Elbtal auch den Unesco-Wultkulturerbe-Titel. Mit diesem Thema beschäftigt sich das Bundesverwaltungsgericht noch heute und das Fortbestehen der Waldschlößchenbrücke ist daher noch immer ungewiss. Heute dürfen wir sie jedenfalls überqueren und wir haben eine wunderbare Aussicht auf das Elbtal.
Die nächsten drei Kilometer verlaufen relativ unspektakulär über die Fletscher Straße in Richtung „Großer Garten“, einem Park mit barocken Ursprung. Er ist die größte Parkanlage Dresdens und wurde ab 1676 auf Geheiß des Kurfürsten Johann Georg III angelegt und im Lauf seiner Geschichte mehrfach erweitert. Heute weist er eine Fläche von 1,8 Quadratkilometern auf. Das bedeutendste Bauwerk des Parks ist das um 1680 errichtete Sommerpalais. Auch der Botanische Garten und der Zoologische Garten haben hier ihren Platz. Wir laufen direkt auf das Sommerpalais zu, umrunden es kurz und passieren auch den Palaisteich, bevor wir den Park bei Kilometer 17 wieder verlassen. Zurück auf der Fletscher Straße haben wir nun ein kurzes Begegnungsstück mit den langsameren Läufern.
Wir nähern uns wieder der Altstadt und damit den letzten Kilometern der Halbmarathonis. Dieser Teil wäre auch gänzlich unspektakulär verlaufen, hätte ich nicht plötzlich von hinten Sirenen vernommen, die die Ersten des Marathons ankündigen. Mit einem Affenzahn überholen mich Joseph Kyengo Munywoki und Vincent Kipchumba aus Kenia. Schon kurze Zeit später sind die beiden mit einer Zeit von jeweils knapp über 2:10 Stunden im Ziel. Da bin ich noch nicht einmal bei der Hälfte.
Am Rathenauplatz angekommen, laufen wir unter der Carolinenbrücke hindurch und sind am Terrassenufer. Die Halbmarathonis haben ihren letzten Kilometer vor sich und noch mal allerhand zu sehen. Links von uns liegt die Brühlsche Terrasse, benannt nach Heinrich Graf von Brühl. Er organisierte zunächst als Page die Feste August des Starken. Später wurde er unter dessen Sohn Friedrich August II Ministerpräsident. Auf der elbseitigen Befestigungsanlage richtete er sich einen Privatgarten ein. Diese Promenade ist seit dem 19. Jahrhundert als „Balkon Europas“ bekannt und jedermann zugänglich. Prächtige Bauten zieren die rund 1 Kilometer lange Terrasse. Darunter hebt sich vor allem die Kunstakademie, die wegen ihrer gerippten Kuppel Zitronenpresse genannt wird, hervor. Am Terrassenufer liegen die Raddampfer der Sächsischen Dampfschifffahrt und laden zu Ausflügen ein.
Nach dem Unterqueren der Augustusbrücke teilt sich die Strecke. Die Halbmarathonis dürfen geradeaus in Richtung Ziel laufen. Mir wird der Weg nach links gewiesen. Es geht in die zweite Runde, die jedoch nur zu rund 40 Prozent mit der ersten identisch ist. Wieder laufen wir über die Augustusbrücke. Kurz vor dem Japanischen Palais, einem historischen Bauwerk, das heute als Museum dient, biegen wir ab in Richtung Elbe. Drei Kilometer laufen wir nun direkt an der Elbe entlang. Der Blick über den Fluss auf die Dresdner Altstadt ist einmalig. Auf der nördlichen Elbseite passieren wir zunächst das Finanzministerium und kurz darauf die Staatskanzlei. Wir befinden uns am sogenannten Königsufer direkt im Regierungsviertel. Es ist herrlich ruhig hier und nur ein paar Spaziergänger kommen uns entgegen. Auch die Wolken haben sich verzogen und ich sehe Dresden erstmals unter blauem Himmel. Schöner könnte es gerade gar nicht sein. Viele Läufer sind nicht um mich rum, aber ich bin nicht alleine.
Ich genieße die Ruhe und trabe weiter in Richtung Waldschlößchenbrücke. Auf den ersten 21 Kilometern war mir nämlich etwas aufgefallen, das ich bis jetzt noch gar nicht erwähnt habe: die musikalischen Hotspots an der Strecke. Bis auf eine Ausnahme übernehmen Samba-Trommler die Rolle der Stimmungsmacher. Kaum sind die Klänge der einen Gruppe verklungen, ertönen auch schon die nächsten. Auch fürs Auge geben die Musiker(innen) was her. Bei Kilometer 25 sind wir dann das zweite Mal an der Waldschlößchenbrücke angekommen und laufen danach am Käthe-Kollwitz-Ufer weiter.
Ein Blick über die Elbe zeigt uns die drei Elbschlösser: Schloss Albrechtsberg, Lingnerschloss und Schloss Eckberg. Alle drei Schlösser entstanden im Zeitraum von 1850 bis 1861 auf dem Gelände eines ehemaligen Weinbergs. Schloss Albrechtsberg und Lingnerschloss wurden im Auftrag von Albrecht von Preußen errichtet, weshalb man die drei Schlösser im Volksmund auch Albrechtsschlösser nennt. Die Parkanlage und das Schloss Eckberg befinden sich in Privatbesitz, weshalb ein Besuch des Parks den dortigen Hotelgästen vorbehalten ist. Auf einer kurzen Schleife in einem Wohnviertel geht es zurück in Richtung Fetscher Straße. Ziemlich einsam kommt man sich jetzt auf dieser breiten Straße vor, die in der ersten Runde ja noch mit Läufern gefüllt war. Drei Kilometer müssen wir hinter uns bringen, um wieder den Großen Garten zu erreichen (km 35).
Hier sind wir nun nicht mehr alleine. Zahlreiche Familien nutzen das schöne Wetter für einen Spaziergang im Park, manchmal gibt es sogar Applaus. Schließlich liegt der Park wieder hinter uns. Es zieht sich noch etwas, bis wir zum zweiten Mal den Rathenauplatz erreichen und auf dem Terrassenufer in Richtung Ziel laufen dürfen. Die letzten zwei Kilometer sind ein Traum und die schweren Beine sind vergessen. Ein letztes Mal geht es an der Brühlschen Terrasse vorbei, unter der Augustusbrücke hindurch und wieder hoch in Richtung Ziel. Ich fliege nun förmlich und habe keine Zeit, mit Silke und Wolfgang abzuklatschen, die am Zieleinlaufkanal stehen.
Kurz vor dem Zieleinlauf kündigt auch schon der bekannte Laufsport-Moderator Artur Schmidt mein Kommen an. Kurz vor dem Ziel stoppe ich für ein Kurz-Interview ab, dann laufe ich durchs Ziel.
Es ist geschafft, Medaille baumelt um meinen Hals und auch den Dresden-Marathon kann ich nun in meine Läufer-Vita aufnehmen. Trotz einiger zäher Abschnitte (die jeder Marathon hat), bin ich begeistert. Den Dresden-Marathon sollte sich wirklich kein Marathonläufer entgehen lassen. |