Von der Messe weg, liefen wir erst Mal in Richtung Osten. Die ersten Kilometer waren äußerst unspektakulär, da wir erst Mal durch ein Industriegebiet mit zahlreichen Alt- und Neubauten geschickt wurden. Relativ schnell erkannte ich, dass ich mich schon ziemlich weit hinten im Feld der ersten Startwelle befinde. Nur Joe und vielleicht zwanzig weitere Teilnehmer konnte ich auf einer kurzen Begegnungsstecke hinter mir ausmachen. Da die zweite Startwelle erst 15 Minuten nach uns auf die Reise geschickt wurde, konnte ich tatsächlich die gesamte Strecke nutzen und jede Kurve auf der Ideallinie laufen. Nur eines machte mir jetzt noch Sorgen. Mein Schnitt, ich war einfach zu schnell – für meine Verhältnisse jedenfalls. Aber ich fühlte mich gut und lies mich treiben. Auch wenn ich versuchte herauszunehmen, wurde ich irgendwie nicht langsamer. Was soll`s dachte ich mir, vielleicht hast du ja einfach einen guten Tag und so lief ich weiter.
So in etwa bei Kilometer fünf bis sechs durchliefen wir ein schönes Wohnviertel und schon hier hatten sich, wohl auch dank des schönen Wetters einige Zuschauer eingefunden. Dass uns das Breisgau jahreszeitlich deutlich voraus ist, konnte man hier auch schön erkennen. Magnolien- und sonstige Bäume standen hier schon in voller Blüte und gaben ein schönes Bild ab. Wir touchierten noch kurz die Altstadt von Freiburg, bevor wir einen kurzen Abstecher in die Natur machen durften. Entlang der Dreisam liefen wir auf einem Fußgängerweg auswärts. Zahlreiche Familien hatten sich in den dortigen Parkanlagen eingefunden und spendeten uns Beifall. Am Ende der Sportanlagen geht es nach einer kleinen Schleife wieder zurück in Richtung Freiburg.
Inzwischen hatten auch schon die ersten Läufer der zweiten Startwelle auf mich aufgeschlossen und ich musste sie passieren lassen, waren sie doch deutlich schneller als ich. Danach geht es endlich in die Altstadt. Die Wege waren für mich nicht immer nachvollziehbar, aber dennoch ist das hier der absolute Höhepunkt des Freiburg Marathons. Wir sehen nicht nur das Martinstor, wir dürfen es auch durchlaufen. Es ist das ältere der beiden noch erhaltenen Tortürme aus Freiburgs erster Stadtbefestigung, die zu Beginn des 13. Jahrhunderts angelegt wurde. Um 1900 wurde das Tor um das Dreifache erhöht – von 22 auf 60 Meter – und mit einem Aufbau im Stil des 15. Jahrhunderts versehen. Etwas jünger ist das Schwabentor. Auch es beeindruckt durch seine imposante Größe und durch seine Optik. Das Münster, Freiburgs Wahrzeichen ist leider eingerüstet und versteckt so seine Schönheit vor uns.
Das Laufen ist in der Altstadt allerdings nicht einfach. Das grobe Kopfsteinpflaster ist äußerst uneben und verlangt Konzentration. Nachdem ich bisher von der musikalischen Unterhaltung – man versprach 42 Bands auf 21 Kilometern – nicht sehr angetan war, muss ich nun feststellen, dass sich die Highlights auch die Innenstadt ausgesucht haben. Gelungenen Coverversionen von „Guns N´ Roses“, „AC-DC“ und anderen Rockgrößen konnte ich hier lauschen. Doch leider blieb nie viel Zeit, da ich ja auch irgendwie vorwärtskommen wollte. Doch die zahlreichen Zuschauer konnten die Musik ausgiebig genießen und so war mir oft nicht klar, ob der Applaus nun uns Läufer gezollt ist oder doch den tollen Bands. Ich bezog es einfach mal auf mich und so konnte ich auch die Altstadt hinter mir lassen, ohne in eine der zahlreichen Wasserrinnen, den sogenannten Freiburger Bächlen zu stürzen.
Nach der Altstadtrunde konzentrierte ich mich erst mal wieder auf mich selbst. Es war inzwischen über 20 Grad warm und ich merkte die absolvierten Kilometer nun schon deutlich. Das würde heute kein Zuckerschlecken werden. Irgendwie war mir jetzt schon klar, dass ich auf der zweiten Runde ordentlich würde leiden müssen. Die zahlreichen Halbmaratonis um mich herum zogen nun auch deutlich an, denn für sie standen die letzten Kilometer auf dem Programm, genauso wie ein weiteres Highlight des Freiburg Marathons. Das Überqueren der blauen Brücke, besser bekannt als Wiwilli-Brücke war für mich in den letzten Jahren immer wieder das Bild, das ich beim Begriff Freiburg Marathon vor Augen hatte. Beim Überqueren hat man einen direkten Blick auf die Herz-Jesu-Kirche, die mit ihrer Doppelturm-Fassade an den Limburger Dom erinnert.
Doch noch bevor es soweit war, kam für mich das musikalische Highlight. Die Band Exil46, die auch meine Stimme für die beste musikalische Darbietung beim Veranstalter erhielt, bot einen Mix aus Klassik und Rock. Zwei attraktive junge Damen spielten Elektro-Geigen, unterstützt durch einen Gitarristen, sowie einen Drummer. Der Mix war einfach toll. Doch leider konnten wieder nur die Zuschauer ausgiebig lauschen und schon bald überquerte ich die Wiwilli-Brücke und befand mich auf dem letzten Kilometer vor dem Ende der ersten Runde. Eine große Anzeigentafel schickte die Halbmaratonis nach links ins Ziel und ich begab mich natürlich auf die zweite Runde der 42 Kilometer langen Reise durch Freiburg.
Ich steckte nun meine Kamera weg. Ich wollte die Hände frei haben, für die zahlreichen Verpflegungsstände, da es mir wirklich ordentlich warm war und ich keine Wasserstelle mehr auslassen wollte. Etwa bei Kilometer 23 näherte sich dann von hinten der 4-Stunden-Pacer. Er war ja eine viertel Stunde nach mir gestartet und so lag ich mit meinen geplanten 4:30 Stunden durchaus noch halbwegs im Soll, auch wenn mir jetzt schon klar war, dass ich das Tempo so wohl nicht halten können würde. Ach ja, apropos 4-Stunden-Pacer. Es war natürlich unser Magic, der da von hinten angerollt kam. Wir begrüßten uns kurz und er gab sich sichtlich erstaunt: „Greppi? Was tust Du denn so weit vorne?“, wollte er wissen. Ich gab zu, dass ich schon am Start eine viertel Stunde Vorsprung hatte und ließ ihn mit seinem Gefolge ziehen. Am Ende würde er sie wieder punktgenau ins Ziel bringen. Er hat ja nicht nur Erfahrung als Pacer, es ist auch sein zehnter Start in Freiburg.
Keine vier Kilometer später bin ich dann schon am Kämpfen. Das Wetter und das zu schnelle Anfangstempo machen sich bemerkbar. Ich nütze nun die Verpflegungsstände zu Gehpausen und halte meinen Becher das ein oder andere Mal etwas länger in den Händen, als unbedingt notwendig, um ein paar weitere Meter im Schritttempo zu rechtfertigen. Dennoch komme ich weiter voran und bei meiner zweiten Runde durch die Altstadt merke ich die Belastung auf dem Kopfsteinpflaster schon deutlich.
Kurz vor dem Ende der Altstadt klopft mir plötzlich jemand auf die Schulter. Es ist Daniel Steiner, auch er hat zu kämpfen und wir unterhalten uns etwas, so vergeht auch die Zeit und die Strapazen geraten in den Hintergrund. Wir passieren schließlich gemeinsam die Wiwilli-Brücke und auf den letzten beiden Kilometern kann ich ihm zwar dann nicht mehr folgen, verliere ihn jedoch nie aus den Augen. Nach 4:40 Stunden, also mit rund zehn Minuten Verspätung erreiche ich dann doch das Ziel und bin froh, dass ich erlöst bin. Ich klatsche noch mit Daniel und ein paar weiteren Mitstreitern ab, bevor ich meine Medaille in Empfang nehmen darf.
In der Messehalle entledige ich mich erst mal meins Leihchips und gebe diesen zurück. Danach begebe ich mich zu den Verpflegungsständen, um mir etwas Ordentliches zu trinken zu besorgen. Doch ich werde gnadenlos enttäuscht. Für mich ist hier der wirklich einzige Kritikpunkt des Freiburg Marathons angebracht. Es gibt zwar Obst und Gebäck, aber an Getränken wird nur stilles Wasser angeboten. Apfelschorle, Cola, alkoholfreies Bier? – Alles Fehlanzeige. Ich weiß nicht, ob es vor mir welches gab, aber nachdem ja auch Pacer für die fünf Stunden auf der Strecke sind, dürften die Getränke wohl nicht ausgegangen sein. Da es sich ja nicht gerade um einen preisgünstigen Marathon handelt, dürfte das meiner Meinung nach nicht passieren.
So mache ich mich etwas geknickt auf den Weg zu Charlys Bus, den ich dort auch wie vereinbart antreffe. Auch er hatte deutlich zu kämpfen und war fertig. Dass wir keine zwanzig Minuten auseinander waren, zeigte mir, dass das heute wirklich kein einfacher Lauf war. Nach einer kurzen Verschnaufpause machten wir uns auf den Weg zum Duschen. Hinter der Messe waren große Duschcontainer aufgebaut, die dank des Sponsorings eines renommierten Duschherstellers nahezu luxuriös ausgestattet waren.
Halbwegs erfrischt machten wir uns wieder auf den Weg nach Hause, der erfreulicherweise sogar halbwegs staufrei blieb. Alles in allem war der Freiburg Marathon eigentlich ein toller Lauf, aber dank der häufigen leichten Steigungen, des wirklich schwer zu laufenden Kopfsteinpflasters und der warmen Temperaturen, bleiben erst mal die Strapazen in Erinnerung und ich kann heute noch nicht sagen, ob ich mal wieder in Freiburg laufen werde. Aber einen Ausflug in die schöne Altstadt, den habe ich schon im Hinterkopf.
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