Felsige Riesen, bewaldete Anhöhen, weite Wiesen, wilde Flüsse und romantische Seen. Die Landschaft um die Königsschlösser in Füssen ist ein Naturparadies, das den bayerischen „Kini“ Ludwig II. sein ganzes Leben lang begeisterte. Hier ließ er seine Träume, für uns schon von Weitem gut sichtbar, wahr werden. Vermutlich findige Marketing-Manager oder Tourismus-Direktoren tauften daher gleich das gesamte Ostallgäu als Schlosspark, passend dazu werden neben 32 Tagestouren auch drei längere Haupt-Wanderrouten von 96 – bis 124 km angeboten. Nicht ganz so lang ist der Kini Trail. Der uns für 2020/21 zur Verfügung gestellte GPX-Track, weist genau 51,3 km und 1520 Höhenmeter auf.
Seit 2014 wird der Kini Trail im Schlosspark durchgeführt. Dafür verantwortlich sind aber nicht die Tourismus Behörden, sondern Chris Münzing aus Ulm. Sportphysiotherapeut, Lauf-, Marathon- und Triathlon-Trainer und vor allem aber auch begeisterter, aktiver Sportler. Nach zähen Verhandlungen mit Verantwortlichen der Region, ist es ihm gelungen, eine Trail-Genehmigung auszuhandeln, erstmal noch in kleinerem Rahmen mit 20 – 60 Teilnehmern. Sollten irgendwo auf der Strecke mehr als 5 cm Schnee liegen, erlischt die Erlaubnis. Viel höher als 1100 Meter kommen wir aber nicht hinauf. Immerhin steht heuer bereits die 8. Auflage an und es dürfen mittlerweile 115 Trailer dabei sein. Die Startplätze sind aber in Nicht-Corona-Jahren immer schnell vergeben.
Ein paar Tage vor Abwicklung der 7. Auflage im November 2020 trat der Lock Down in Kraft, somit durfte die Veranstaltung kurzfristig nur mehr virtuell stattfinden, zumindest für diejenigen, die noch Bock darauf hatten. Zu denen gehörten Greppi und ich, wir ließen es uns nicht nehmen und waren auf der Originalstrecke vor Ort. Zwar nur im Duo, aber immerhin. Wissen sollte man, dass die komplette Strecke, die oft über unscheinbare und verwunschene Trails führt, nicht markiert ist. Es wird ausschließlich nach dem vom Veranstalter gestellten GPX-Track gelaufen. Track-Running könnte man das vielleicht auch bezeichnen.
Damit sich hier keine Routine einstellt und niemanden langweilig wird, variiert man dabei jährlich bei der Streckenführung. Heuer wird aber noch einmal die Runde von 2020 gelaufen, ohne Änderungen, so wird es für mich ein Déjà-vu geben, worin ich doch einen gewissen Vorteil sehe. Ich kann mich noch gut an unsere Spurensuche vom Vorjahr erinnern und daran, wie viel Zeit wir liegengelassen haben. Um die Erfahrung reicher, kann ich mir gut vorstellen, dass es bei vielen nicht bei den 51,3 km bleiben wird. Etwas mehr sollte man schon einplanen, ein Verlaufen ist bei den Voraussetzungen immer mal drin.
Bilderbuchwetter, mit einem makellosen, blauen Himmel, empfängt uns am Samstagmorgen um 7 Uhr am Sportplatz des TSV Schwangau, ein paar Meter unterhalb der Talstation der Tegelbergbahn. Die schneebedeckten Alpengipfel werden bereits von der aufgehenden Sonne beleuchtet. Ein Anblick zum Genießen. Wenn es denn irgendwas zu mäkeln gäbe, dann wären das vielleicht die frostigen 3 Grad Minus, aber das wäre dann doch etwas übertrieben zu dieser Jahreszeit. Am Eingang zum Sportgelände wird genauestens die 3G-Regel geprüft, ohne eine der Voraussetzungen gibt es keinen Zugang und somit auch keinen Lauf. Ein Check-In war aber auch bereits gestern im Schlossbrauhaus Schwangau möglich, wo uns bei korrektem Nachweis ein Zutrittsbändchen für den Start- und Zielbereich umgebunden wurde, so brauche ich heute nichts mehr vorzeigen.
In einer kurzen Wettkampfbesprechung wird uns die Strecke von Chris vorgestellt. Sehr positiv nehme ich auf, dass heute doch an einigen wichtigen Kreuzungspunkten Streckenposten bereitstehen, die uns die korrekte Richtung weisen. Pünktlich um 7.30 Uhr wird gestartet. Zielschluss ist um 17.00 Uhr. Dazu gibt es mehrere Checkpoints, vorwiegend an den vier Verpflegungsstellen. Alle Teilnehmer müssen diese Punkte ansteuern und sich dort registrieren lassen.
Erst einmal noch fast flach, führt unser Weg an der Pöllat entlang zum Märchenschloss Neuschwanstein. Wir haben es praktisch schon vom Startplatz weg im Visier. Zweieinhalb Kilometer ist die Einrollphase lang und ganz angenehm, um den Körper bei den Minusgraden auf Temperatur zu bringen. Kurioserweise verlieren wir aber, je näher wir kommen, Neuschwanstein vollkommen aus der Sicht. Der erste Aufstieg führt uns nach 3,7 km bis auf wenige hundert Meter an das Schloss heran. Zu sehen gibt‘s aber leider nix, Bäume verhindern die Aussicht. Leider sind die Marienbrücke sowie die Pöllatschlucht derzeit gesperrt, um näher ranzukommen. Fantastische Aussichtspunkte die in früheren Auflagen schon mal auf der Route lagen. Nach 17-jähriger Bauzeit war Neuschwanstein beim frühen Tod des Kini im Jahre 1886 immer noch unvollendet, trotzdem zählt es bis heute zu den meistbesuchten Sehenswürdigkeiten der Welt. Derzeit wird gerade der Thronsaal fertiggestellt und nebenbei auch wieder umfassend restauriert.
Unterwegs bin ich heute mit den „3Assen“ Axel, Andy und Axel, wir haben uns vorgenommen gemeinsam die Prüfung zu bestehen. Uns hat sich noch Angelika angeschlossen, die froh war, einige Bekannte im Starterfeld auszumachen, um nicht allein durch die Strecke navigieren zu müssen.
Vom Schloss weg steigen wir noch etwas weiter auf bis auf 1000 Meter Höhe und orientieren uns Richtung Südende Alpsee, der wunderschön unter uns liegt. Rechts davon platziert liegt Schloss Hohenschwangau, noch nicht ganz vom Sonnenlicht erreicht. 1832 erwarb Kronprinz Maximilian, der spätere König Max II. die bereits fast verfallene Burg und ließ sie zum heutigen Schloss umbauen. Nach seinem Tod übernahm sein Sohn, König Ludwig II., also unser Kini, die königlichen Appartements und ließ sie nach seinen Vorstellungen umdekorieren. Er verbrachte dort viel Zeit, vorwiegend in seiner Jugend.
Immer mehr Zeit benötige ich, um meine Kamera zu starten. Den Akkus ist es einfach zu kalt. Nur durch warm reiben der Kontakte kann ich sie noch mühsam in Gang bringen, auch die Balken der Energie-Anzeige sinken rapide, so wird meine Fotoausbeute immer spärlicher, ich befürchte fast einen fotografischen Super-GAU. Angelika fotografiert aber ganz fleißig und wird uns ihre Bilder zur Verfügung stellen. Schon mal, herzlichen Dank hierfür. Ihr Handy hat mit den Minusgraden scheinbar weniger Probleme.
Oberhalb des Südufers des Alpsees erwischt es uns heute zum ersten Mal. Auf schmalen Pfaden verlieren wir etwas die Orientierung. So geht’s mal vor und wieder zurück, bis wir wieder auf Kurs sind. Dafür erwartet uns nach 9,5 km am Alpseeufer ein traumhafter Seeblick mit Neuschwanstein. Begeistert war auch der Kini von dieser Aussicht und von diesem See, er soll ihn in voller Länge auch gerne durchschwommen haben.
An diversen Baumstämmen kann ich ein großes aufgespraytes „L“ als Wegmarkierung ausmachen. Es steht für die Königsschlösser-Runde, einer Zusatz-Schleife des rund 125 km langen Lechwegs, der von seiner Quelle nahe des Formarinsees in Lech am Arlberg bis zum Lechfall in Füssen führt.
500 Meter weiter passieren wir das Marienmonument, das zu Ehren der königlichen Mutter Marie von Bayern errichtet wurde. Hier war ihr Lieblingsplatz am Alpsee. Nach einem kurzen Anstieg führt uns der Uferweg an die Abzweigung zum Schwansee. Langgezogene Serpentinenpfade führen etwa 100 hm runter zum Gewässer. Rechts am See vorbei gibt es aber eher wenig von ihm zu sehen.
Durch eine Wiese auf einem Wirtschaftsweg erreichen wir nach 13 km die erste Versorgungsstation. Unsere Nummern werden notiert, wir dürfen verpflegen. Das lief doch orientierungsmäßig bisher ganz passabel, bis auf den kleinen Abstecher. Ich bin positiv überrascht. Heißer Tee und Brühe bringen auch meinen Magen wieder auf Temperatur.
Ein flacher Abschnitt führt uns auf einem Fuß- und Radweg bis zum Lechsteg an den Stadtrand von Füssen. Von hier geht es in der Sonne weiter am Lech entlang leicht aufwärts bis zum Hohen Schloss von Füssen. Die wärmenden Sonnenstrahlen begeistern nicht nur mich, sondern auch meine Akkus, meine Kamera hat ihren Frostschock abgelegt und funktioniert wieder tadellos.
Als Teil der alten Stadtbefestigung thront das Hohe Schloss hoch über der Stadt. Wir steigen fast an den Außenmauern entlang hoch bis zum Stadtpark. Einst war die gotische Burganlage Sommerresidenz der Fürstbischöfe von Augsburg. Heute beherbergt es u.a. die Galerie der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und ist das Wahrzeichen von Füssen.
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