Vorwort Andreas Bettingen
Bekanntermaßen wurde das größte Volksfest der Welt in diesem Jahr schon sehr früh wegen Corona abgesagt. Zu Recht, denn wie von der berüchtigten „Oktoberfest-Grippe“ her bekannt, bietet das spezielle Mikroklima in den Zelten wohl ideale Übertragungswege für Viren und Bakterien und der traditionelle Wetterumschwung vom Spätsommer zum kühlen Regen während der Wiesn-Zeit tut ein übriges.
Auch der Marathon wurde trotz der Ausarbeitung eines Alternativkonzepts schließlich aufs kommende Jahr verlegt. Warum also nicht ersatzweise selbst ein 42-km-Laufevent am Original-Oktoberfest-Schauplatz organisieren? Am mittleren Wiesn-Wochenende, dem sogenannten „Italienerwochenende“, kommen jährlich -zigtausend Besucher aus Bella Italia über die Alpen nach München. Vielleicht lassen sich ja einige Mitglieder des Club Supermarathon Italia zu einem Besuch verleiten, auch wenn die „Festa della Birra“ heuer nicht zentral, sondern über verschiedene Wirtshäuser verstreut stattfindet?
Wie geht man so ein Projekt Oktoberfest Marathon an? Mit professioneller Zeitnahme und dem Antrag auf offizielle Genehmigung durch die Stadt? Aber wie werden dann die Hygienevorschriften aussehen? Nach einigen Überlegungen bleibt es bei einem Lauf für eine überschaubare Gruppe, zumal Treffen auf öffentlichen Plätzen inzwischen wieder auf maximal fünf Personen begrenzt wurden.
Ein Test vor Ort im Juli hat Judith und mir gezeigt, dass die Theresienwiese mit fast vier Kilometern Umrundungslänge zwar groß ist, ein Zehn-Runden-Marathon aber wohl doch etwas eintönig sein dürfte. Nimmt man hingegen eine Schleife durch den Westpark hinzu, ergibt sich gleich ein wesentlich abwechslungsreicherer Parcours von über 10 km, den man ohne Wartezeiten zwecks Straßenüberquerung viermal absolvieren kann – und das mitten in der Großstadt.
Drei Lauffreunde aus dem Raum Augsburg wollen sich uns anschließen, doch mich erwischt dummerweise einige Tage vor dem „Italienerwochenende“ ein Infekt. Bleierne Beine und generelle Kraftlosigkeit setzen mir zu. Ich muss passen und bleibe besser zu Hause. Mal sehen, wie es den Herrschaften von Team TOMJ und Judith gefallen wird.
-----------------------------------------------------------------------
Die Möglichkeit einmal zur Wiesnzeit auf der Wiesn einen Marathon zu Laufen, ergibt sich vielleicht nie wieder, obwohl wir jetzt nicht gerade zur überzeugten Spezies der Wiesngänger gehören, brauchen Greppi, Charly und ich natürlich nicht lange überredet werden an so einer weltbekannten Location zu laufen. Mit uns fanden auch unsere Laufkameraden der letzten Monate die Idee sehr gut. Trotz Corona hatten wir im Süden der Republik viele Veranstaltungen, wir haben unsere Events im kleinen Rahmen selbst durchgeführt. So waren wir mehrmals an Isar und Lech, am Ammersee und Bodensee, in Füssen und zum Abschluss wartet noch der private APM in Sonthofen auf uns.
Wie es oft so ist, durch Verletzungen, Terminschwierigkeiten und Krankheit (zu guter Letzt muss auch noch Andreas, der Erfinder und Organisator wegen Krankheit absagen) muss der Oktoberfest Marathon jetzt nur im ganz bescheidenen Rahmen stattfinden. Wir könnten jetzt nicht mal mehr einen Tisch im Bierzelt auf der Wiesn anständig besetzen.
Was letztendlich dann doch wieder sein Positives hat, so stieg München pünktlich zum imaginären Wiesnanfang, auch ohne die Wiesn zum Corona-Hotspot auf. Die Infektionszahlen überschritten vor einer Woche den kritischen Schwellenwert der Sieben-Tages-Inzidenz von 50, was zu drastischen Kontaktbeschränkungen führte. So dürfen sich im Stadtgebiet nur noch fünf Personen oder die Mitglieder zweier Haushalte treffen.“ Das passt dann für unser überschaubares Grüppchen ja wieder und wir brauchen uns darüber keine Sorgen machen.
Judith wartet am Sonntagmorgen auf der Theresienwiese an der Matthias-Pschorr-Straße auf uns und erzählt uns erst einmal, dass Andreas auch noch wegen Krankheit absagen muss. Unser Startplatz liegt genau auf der gegenüberliegenden Seite der Bavaria. Ursprünglich wollten wir ja bereits gestern an den Start gehen, aber grausliges Wetter sorgte für die kurzfristig Verlegung. Für fünf, bzw. vier Personen lässt sich das natürlich auch relativ problemlos regeln. Unglaublich, wie sich innerhalb weniger Stunden das Wetter ändern kann. Es ist zwar in der Früh immer noch lausig kalt, aber dafür scheint die Sonne und es soll im Laufe des Tages auch deutlich wärmer werden.
Zum 187. Mal hätte das weltweit größte Volksfest stattfinden sollen. Es ist aber nicht der erste Ausfall in seiner Geschichte, bereits 25 Mal, einschließlich 2020 musste abgesagt werden. Dafür kommen aber wir heuer zum Zug. Auf einem Spazierweg am Rande der Theresienwiese beginnt unsere erste Runde. Vier Mal müssen wir den Parcours, den sich Andreas ausgedacht hat, absolvieren, um auf die Marathondistanz zu kommen. Ich habe den Track zwar auch auf meinem GPS, aber Judith ist ja dabei und übernimmt in der ersten Runde die Funktion als Strecken-Scout. Einen großen Nachteil hat das Fehlen von Andreas für uns leider schon, so fehlt uns der Fremdenführer, als Münchner hätte er uns bestimmt wie immer bei seinen Läufen, sehr viel erzählen können.
Nach 700 Meter erreichen wir den Haupteingang der Wiesn. Gestern fand hier die Gedenkfeier zum 40. Jahrestag des Oktoberfestattentats mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Ministerpräsident Markus Söder und Oberbürgermeister Dieter Reiter statt. Zudem wurde eine neue Erinnerungs- und Dokumentationsstätte eröffnet. Die beleuchteten 234 Figuren stehen für 234 Opfer und die bedeuten nach wie vor das größte Attentat in der Geschichte der Bundesrepublik. Über einen QR-Code können sich die Besucher an den einzelnen Stationen einloggen und dann Texte übers Handy hören.
Unmittelbar danach biegen wir auf der Westseite vom Fußweg wieder auf die Theresienwiese ab. Eine nennenswerte Begrünung ist auf dieser Freifläche nicht mehr vorhanden, zum Laufen geht’s dafür aber auch abseits der asphaltieren Budenstraßen ganz ordentlich. Ohne die Bierzelte und Fahrgeschäfte wirkt der leere Festplatz aber schon ziemlich öde. Ganz gut vorstellen kann ich mir aber, dass hier auch Pferderennen stattgefunden haben, so wie es z.B. am 12. Oktober 1810 der Fall war. Anlass für das Oktoberfest war die Hochzeit von Kronprinz Ludwig von Bayern und Prinzessin Therese, von ihr hat die Wiesn auch ihren Namen. Neben zahlreichen privaten und öffentlichen Feiern fand auch ein Pferderennen statt. Der Festplatz, der damals außerhalb der Stadt lag, wurde aufgrund seiner natürlichen Eignung ausgesucht. Der Sendlinger Berg, heute Theresienhöhe, diente als Tribüne für die 40.000 Zuschauer.
Für uns geht‘s da jetzt auch hinauf, nach insgesamt etwa einer halben Wiesn-Runde verlassen wir nach rechts durch eine Fußgängerunterführung das Gelände und kommen nach einem kurzen Anstieg, direkt am Verkehrszentrum, einer Außenstelle des Deutschen Museums wieder raus. Auf 12.000 qm wird hier die Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Mobilität präsentiert mit vielen historischen Eisenbahnen, Autos, Motorrädern, Fahrrädern und Kutschen. Wie die große Schnecke auf dem riesigen Vorplatz hier dazu passt, weiß ich nicht so recht, man wird sie aber hoffentlich nicht wegen unseres Tempos aufgestellt haben. Eilig haben wir es aber natürlich nicht, uns geht’s mehr ums Vergnügen. |