21.6.2014 Zugspitz Ultratrail  
Autor: Bernie Manhard   Bericht mit 300 Bildern auf
 
 
ERGEBNISSE
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Thermen-Marathon
Bienwald Marathon
Saaletal-Marathon
Dreiburgenland M. - A
Dreiburgenland M. - B
Andechs Trail
Kirbachtal-Lauf
Salzburg Marathon
Hamburg Marathon
Big Sur Marathon
Schliersee-Lauf
Mannheim Marathon
Schefflenzer Ultra
Zugspitz Ultratrail
Montafon-Arlberg-M. - B
Montafon-Arlberg-M. - A
Eiger Ultra Trail
Füssen Marathon
Immenstadt Marathon
Plain Vanilla
Allgäu Panorama UT
Rock the Top
Fränkische Schweiz M.
Einstein Marathon Ulm
Kaisermarathon
München Marathon
Dunas de Fuerteventura
Istanbul Marathon
Plain Vanilla Winter

Als im Herbst 2010 die Premiere des Zugspitz Ultratrail verkündet wurde, war bestimmt nicht nur ich aus dem Häuschen. Die Nachricht eines Laufes im Format des UTMB – zugegeben ein paar Kilometerchen kürzer – jetzt auch bei uns in Deutschland, schlug ein wie eine Bombe.

Aus Angst, das auf 1.000 Starter limitierte Teilnehmerfeld würde so schnell belegt sein wie in Chamonix, veranlasste mich seinerzeit zu einer schnellen Anmeldung. Ganz so rasant wie befürchtet entwickelte sich die Veranstaltung dann doch nicht, aber immerhin registrierten sich auf Anhieb bereits fast 750 Trailrunner für die beiden Distanzen 70 und 100 km.

Heute, zur 4. Auflage muss man den ZUT sicherlich bereits zu Deutschlands bedeutendsten Trail-Events zählen. Die über 2.000 Trail-Begeisterten, die sich heuer dazu angemeldet haben, sprechen eine deutliche Sprache. „Noch“ kann man sich kurzentschlossen bis einen Tag vorher an-, bzw. nachmelden. Bin gespannt, wie lange es dauert, bis zum ersten Mal das Starterlimit greift.

Das Strecken-Portfolio hat sich seit den Anfangsjahren verdoppelt, deren vier stehen heuer im Angebot. Nach dem Basetrail in Vorjahr ist heuer der Supertrail XL mit 79,3 km Länge und 4150 Höhenmetern im Aufstieg neu hinzugekommen. Dieser wird in Ehrwald gestartet und führt nach ein paar Anlaufkilometern auf die bestehende Runde. Verkürzt wurde dafür die alte Supertrail-Strecke auf 60,7 km, ohne dabei aber viele seiner Höhenmeter abzugeben.

Die begehrteste Strecke ist wie immer der Ultratrail über 100 km und 5420 Hm, zu dem über 700 Teilnehmer gemeldet sind. Als weiterer Strecken-Magnet hat sich aber auch der Basetrail etabliert, der die kürzeste Strecke mit 35,9 km und 1900 Höhenmetern aufweist und somit einen guten Einstieg in die Welt der Ultratrails darstellt, hier sind nur einige weniger als beim UT am Start. Eines haben alle 4 Strecken gemeinsam: Jeder Lauf beginnt an einem anderen Startort, führt auf die bestehende 100er-Runde und am Ende treffen sich alle im Ziel in Grainau. Für das nächste Jahr sind bereits weitere Änderungen geplant und angekündigt. Wenn ich es richtig interpretiere, müsste es sich bei einem Start in Garmisch um eine noch kürzere Variante handeln.

Wer das Ziel erreicht, kann natürlich auch Qualifikationspunkte für die Rennen am Mont-Blanc ergattern. Für den Ultratrail gibt es 3 Punkte, für den Supertrail XL 2 Punkte und Finisher des Supertrail erhalten noch einen Punkt.

Wer hat heuer das Zeug zum Berghelden und wird Nachfolger von Vorjahressieger Philipp Reiter beim 100 km langen Trail rund um das Zugspitzmassiv und das Wettersteingebirge? Das Hauptinteresse richtet sich auf den Marokkaner Mohamad Ahansal, dem dreifachen Gewinner des Marathon des Sables. Dazu kommt noch Michael Wardian aus den USA, beide sind zum ersten Mal beim ZUT am Start. Als Geheimfavorit haben einige Stephan Hugenschmidt vom Bodensee auf der Liste, er kennt hier die Trails und die Anstiege ganz genau und ist zudem Vorjahressieger des Basetrail. Bei den Mädels rechnen viele mit Anne-Marie Flammersfeld, einer Deutschen, wohnhaft in St. Moritz, und der Italienerin Simona Morbelli.

Registrierung und Briefing

Am Ortseingang von Grainau entern bereits ein paar enthusiastische Spanier vom Mallorca Trail ein Begrüßungsschild der Veranstaltung. Sie sind schon aus dem Häuschen, bevor es überhaupt losgeht. Im Kurhaus Grainau können die Startunterlagen empfangen werden. In einem großzügigen Saal im 1. Stock ist jede Menge Platz und selbst bei der Menge an Anmeldungen gibt es hier keine längeren Anstehzeiten. Sehr gut gefallen mir auch die Infostände der einzelnen Distanzen, jede ist abgetrennt von der anderen und man kann nochmals jegliche Information, sei es über Startzeiten, Streckenprofil, Pflichtausrüstung oder was alles im Starterpacket enthalten sein sollte, nachlesen.

Etwa zweihundert Meter vom Kurhaus entfernt, neben dem Eisplatz, ist die Trailrunning-Expo zu finden. Auch sie hat sich seit den Anfangsjahren deutlich entwickelt. Am Dynafit-Stand kann sich jeder Trailer ein Headband aus der aktuellen Trail-Kollektion abholen, der Gutschein hierfür befindet sich im Starterpaket. Ein Alkoholfreies Erdinger dazu gibt es als Draufgabe. Wer seine Stöcke oder Stirnlampe vergessen hat, kann sich Ersatz am Stand von Fizan bzw. Silva ausleihen. Eine ganz besonders clevere Idee hat ein Garmischer Sporthaus, wie ich finde. In jedem Starterpaket befindet sich ein 20 Euro Gutschein für Artikel aus den hervorragend sortierten und eh schon reduzierten Angeboten. Hier wird wirklich nur beste Trailrunning-Ware angeboten. Den Einkauf lassen sich die wenigsten entgehen, habe ich so das Gefühl.

Der Musikpavillon ist proppenvoll. Hier findet vor dem Streckenbriefing auch die Pasta-Party statt. Für jeden Teilnehmer gibt es gratis ein Getränk, Salat und einen Teller Nudeln. Wer sich einen Stempel verpassen lässt, kann nachfassen so oft er will. Mir reicht bereits ein mehr als ausreichend gefüllter Teller. Die Grainauer Goaßlschnalzer peitschen ihre "Instrumente" messerscharf über unsere Häupter.

Anschließend ist Race-Director Wolfgang Pohl mit dem Briefing und neuesten Nachrichten von der Strecke an der Reihe. Teilnehmer aus 46 Nationen werden morgen an den Start gehen, da muss man natürlich auch der Internationalität gerecht werden. Alles wird ins Englische übersetzt. Wichtigste News sind eine kleine Streckenänderung vor der Partnachklamm.

Um 7:15 Uhr wird der Ultratrail gestartet, zeitgleich bringen uns Shuttle-Busse ins 40 km entfernte Leutasch in den Ortsteil Weidach zum Start des Supertrail zu unseren Nachbarn nach Tirol. Die Transporte sind hervorragend organisiert. Ist ein Bus voll, rückt der nächste nach, so geht alles vollkommen stressfrei über die Bühne. Auch das Wetter spielt mit, im Gegensatz zum Vortag werden sich die letzten Wolken verziehen und uns ist optimales Laufwetter vorhergesagt. Die Temperaturen bewegen sich am Morgen bereits über der 10-Grad-Marke.

Wärmebekleidung kann bis kurz vor dem Start abgegeben werden und wird zurück ins Kurhaus transportiert. Somit steht vor dem Start nur mehr eine Prüfung an und das ist die Kontrolle der Pflichtausrüstung. Stichprobenartig muss jeder vor dem Einlass in den Startkanal bestimmte, wichtige Ausrüstungsgegenstände, wie Regenjacke vorzeigen.

 
Goaßlschnalzer   Spanier entern Grainau   Mario ist bereit
Bernie startklar   Erste Meter durch Leutasch   Anfangs nur mäßige Steigungen

Über das Scharnitzjoch

Die ersten Meter mit beladenem Rucksack fallen mir immer etwas schwer, ich muss mich erst an die 4 Kilo Zusatzgewicht gewöhnen. Läuferisch werden noch keine großen Herausforderungen gestellt. Flach oder mäßig steigend führen die ersten Kilometer durch Weidach und das Leutaschtal an die Berge heran. Nach 4 km ist das Einlaufen beendet, es wird schlagartig rustikal und trailig, der Aufstieg zum Scharnitzjoch beginnt.

Immer wieder kommt man mit Mitläufern ins Gespräch, das muss nicht immer in Deutsch sein. Die kleinen Länderflaggen auf den Startnummern sind eine nette Idee und auch sehr hilfreich, so kann man schnell erkennen, woher der Gesprächspartner stammt. Ebenfalls ein klasse Einfall ist, die Grafik des Höhenprofils auf die Startnummer zu drucken. So kann man sich schnell einmal vergewissern, was noch vor einem liegt. Aktuell sieht das vor uns liegende Profil ziemlich derb und steil nach oben führend aus.
Ein ausgewaschener Forstweg führt uns im Wald ziemlich direkt nach oben. Mir gefällt dieser Abschnitt auf Anhieb. Im Gegensatz zur früheren, längeren Streckenführung des Supertrails, auf der die ersten Aufstiegskilometer überwiegend auf relativ breiten Forststraßen zurückzulegen waren, ist dieser grobe Bergtrail ein echter Hammer.

Nach ca. zwei Kilometern erreichen wir langsam die Baumgrenze, der lose Pfad geht in einen wunderbaren Single-Trail auf weicheren Boden über. Das Feld ist hier noch ziemlich dicht beisammen, so ergibt sich eine imposante Läuferschlange, die sich jetzt in Serpentinen nach oben schlängelt.

Den Anschluss zur großen Ultratrail-Runde erreichen wir nach 6,5 km auf 1750 m Höhe an der Wangalm. Mein persönliches Resümee über die neue Streckenführung des Supertrails steht hier schon fest: Obwohl verkürzt, ist sie ein echter Gewinn und Volltreffer. Nach Durchqueren eines Viehgatters schwächen sich die Steigungsprozente durch das Scharnitztal wieder spürbar ab. Außerordentlich fotogen haben sich die hier weidenden Vierbeiner positioniert.

Hoch über uns kann man im grellen Gegenlicht schon den unterhalb des Gipfels liegende Übergang am Scharnitzjoch erkennen. Bis hinauf auf den höchsten Punkt der Supertrail-Strecke auf 2048 m liegen noch zwei abwechslungsreiche, wunderschöne Kilometer vor uns. Gelaufen werden solche Anstiege in unserer Preisklasse natürlich nicht, umso mehr Zeit bleibt uns für die herrlichen Ausblicke.

Nach einer Stunde und vierzig Minuten liegt der erste große Anstieg mit fast 1000 Höhenmetern, nach ziemlich genau 8 km hinter mir. Rechts von uns erhebt sich im Wolkenspiel die mächtige Gehrenspitze. Caspar David Friedrich hätte sie in seinen Bildern auch nicht dramatischer inszenieren können. An allen wichtigen Stationen hat sich die Bergwacht positioniert und wacht über uns. Die Rettungshunde haben zum Glück noch keinen Einsatz und haben es sich in einem Zelt bequem gemacht.

Abwärts geht’s weiter über einen schönen, aber nicht ganz einfach zu laufenden Trail über teils steile Grashänge, durchsetzt mit vielen Steinbrocken und Felsformationen durch das Puittal. Ein kleines Schneefeld, das einzige des heutigen Tages, stellt sich zwischendrin in den Weg. Da kommt aber keine richtige Action auf, zu kurz und einfach ist es zu durchqueren, das habe ich bei meinen beiden vorangegangenen Auftritten schon deutlich schwieriger und auch amüsanter erlebt.

Schafe, die hier den Sommer über weiden, fühlen sich von unserem Abwärtsdrang inspiriert und jagen mit uns ein Stückchen durch die saftig grüne Almenlandschaft. Ab Waldgrenze wird der Abstieg wieder deutlich verschärft, sprich steiler. Durch den Puitbacher Wald führt uns ein schmaler Pfad serpentinenartig über Wurzeln und Gestein hinunter ins Tal nach Reindlau. Einen kurzen Gegenanstieg gibt es noch vor unserer ersten Verpflegungsstelle (km 15,8) am Hubertushof zu überwinden.

Unser Zeitlimit liegt hier bei 3:45 h, da werden nicht viele wirkliche Probleme bekommen. Wesentlich ernster ist die Lage für die Läufer des 100er. Die bis hierhin 55 km müssen um 21:30 Uhr absolvier sein. Dieser Hürde sind schon oft welche zum Opfer gefallen. Zudem findet hier der Medical Check statt. Wer nicht mehr lauftüchtig ist, oder so aussieht, wird ebenfalls aus dem Rennen genommen.

Eine Neuheit gibt es in Sachen Umweltschutz. So werden für die Getränkeaufnahme erstmals Mehrwegbecher in Form von Faltbechern verwendet. Bei der Abholung des Starterpakets wurde jedem Teilnehmer ein Becher ausgehändigt und mit diesem kann man sich an den Verpflegungsstationen mit Getränken versorgen. Etwas mickrig und lapprig sind sie schon, manch einer ist nach den ersten Versuchen samt Flüssigkeit wieder in sich zusammengefallen. Aber nach etwas Gewöhnung und aus Liebe zur Umwelt kann man sowas ruhig in Kauf nehmen.

Rustikaler Forstweg   Serpentinen   Wangalm
Aufstieg zum Scharnitzjoch Schneefeld Noch 45 km

Über den Ferchensee zur Partnachklamm

Nach Überqueren einer Staatsstraße führt die Strecke an der Leutascher Ache entlang. Hier sind keine nennenswerten Steigungen zu bewältigen, es kann durchweg gelaufen werden. Auf halben Weg zur Leutascher Klamm kommt uns Trailschnittchen Julia Böttger, Ultratrail-Siegerin 2011, mit dem Radl und Anfeuerungsglocken entgegen. Ihr Fuß ist dick bandagiert, vorgestern hat sie sich bei einem Trainingslauf leider verletzt.
Kurz vor der Leutascher Geisterklamm gilt es noch etwa einen Kilometer am Seitenrand der Staatsstraße auf Asphalt zu absolvieren. Links von uns sind auf der Wiese noch die Reste der „Leutascher Schanz“ zu sehen, sie gehörte zur ehemaligen Befestigungs-anlage Porta Claudia. Mehr dazu erzähle ich euch ein paar Kilometer weiter.

Rechts geht es ab über den Parkplatz in die Klamm. Die Leutaschklamm selbst ist die derzeit längste erschlossene Klamm in den deutschen Alpen. Ein Großteil ist seit 2006 auf modernen Metallstegen in luftiger Höhe begehbar, wir werden aber nur auf den Weg durch die Geisterklamm geschickt, der zwar besser zum Laufen geeignet ist, dafür aber auch recht unspektakulär ist. Breite Wanderwege mit einem deftigen Schlussabstieg führen uns so ans andere Ende.

Ein kurzer Abschnitt an der Isar entlang lotst uns an den Ortsrand von Mittenwald. Nur am Rande tangieren wir den Ort. Ein Anstieg mit Straßenüberquerung – Vorsicht ist geboten, hier herrscht Autoverkehr – bringt uns zu V6 am Schützenhaus.

Sehr gefällig führt ein wunderbarer Trail in einem stetigen Auf und Ab durch den Wald unterhalb des Grünkopfs zum Ferchensee. Über uns verläuft der sogenannte Franzosensteig, hier geht die Geschichte der Befestigungsanlage Porta Claudia weiter. Während des Feldzuges Napoléons gegen Österreich im Jahr 1805 belagerten die französischen Truppen die Pässe Scharnitz und Leutasch. Den französischen Armeecorps mit 8.000 Mann standen damals 2.000 Tiroler gegenüber. Von ortskundigen Mittenwaldern geführt – Bayern stand damals auf der Seite von Napoléon – konnten die Franzosen über den seitlich am Grünkopf vorbeiführenden Steig, den an der Leutascher Schanz stationierten Österreichern unerwartet in den Rücken fallen. Als Folge konnten sie auch den Scharnitzpass erobern und so ins Inntal und nach Innsbruck vorrücken.

Nach halber Umrundung des Ferchensees ist wieder Verpflegen angesagt. Der Name kommt von den Ferchen, womit Forellen gemeint sind. Die tummeln sich auch heute noch im idyllischen und glasklaren Bergsee, der der höchstgelegene unter den vielen kleinen Seen hier in der Gegend ist. Direkt neben dem Gasthaus mit Biergarten ist V7 errichtet. Forellen stehen aber nicht für uns im Angebot, dafür „Bananas for free“ wie uns die Schiefertafel vor der Station verkündet. Aber keine Angst, so spartanisch wie bei manchem City Marathon geht es auf Ultratrails nicht zu. Das Angebot an allen Labestellen ist reichlich und auch vielfältig.

Wir haben hier ziemlich genau 30 km hinter uns und der Cut-Off liegt bei 6:45 Std. Mario und ich haben 1:30 Std. Zeitguthaben, so gibt es keinen Grund für Hektik, wir können uns etwas Zeit nehmen. Die Stelle hier ist im Übrigen hervorragend geeignet, um die Sonnwendfeuer zu beobachten, die heute Nacht ringsum auf den Bergen entzündet werden. Oft sind da richtig glühende Kunstwerke darunter.

Gefühlt 5 km kerzengerade und meist mit leichten bis mittelschweren Anstieg zieht sich der breite Bannholzweg durch den Wettersteinwald. Hier immer im Laufschritt unterwegs zu sein, ist verdammt hart, so sind wir meist abwechselnd marschierend und laufend unterwegs. Immer öfter werden wir von schnellen Supertrail XL-Teilnehmern und wahrscheinlich auch von den ersten Ultratrailern überholt. Selbst sie nehmen an stärkeren Steigungen Tempo raus und marschieren bestimmte Abschnitte, der Unterschied zu uns: Sie können das etwas schneller. Wann uns der Führende des Ultratrail überholt hat und ob der vielleicht auch mal in Speedhiking verfällt, konnte ich leider nicht ausmachen. Ich finde es immer sehr interessant die Spitzenleute während des Rennens aus nächster Nähe zu sehen.

Nach mehr als 5 Kilometern dürfen wir endlich wieder in die Pampa und auf schmalen Pfaden verschwinden. Der Kälbersteig durch den märchenhaften Ebenwald ist ein Traum. Der über einen Kilometer lange Abstieg ist aber auch schwer und nicht ungefährlich zu bewältigen. Hohe Stufen und extrem wurzelige Passagen an meist steil abfallenden Hängen strapazieren die Oberschenkel. Aber genau das ist ja auch die Abwechslung, die wir am Trailrunning so lieben.

Der drittplatzierte des UT, der Brite Dan Doherty brettert an uns im freien Fall vorbei nach unten. Er hat seine Startnummer auf dem Rücken, daher ist er leicht zu identifizieren. Auch wenn wir sie auf diesem extrem engen Abschnitt etwas aufhalten, die Jungs und Mädels an der Spitze sind gut drauf und meist auch sehr freundlich.
Am Ferchenbach erreichen wir das Tal, vielleicht hundert Meter weiter ist der Zusammenschluss mit der Partnach, wo bei den vergangenen Austragungen vor der Brücke immer eine Labestelle postiert war. Die kurzfristige Streckenänderung befördert uns ansatzlos wieder nach oben. Erst etwa einen halben Kilometer weiter können wir uns an der Labe V8 (Km 40) vor der Partnachalm verpflegen. Somit entfällt heuer die Durchquerung der Partnachklamm über den Eisernen Steg.

Teerstraße im Leutaschtal   Leutascher Schanz   Unterm Franzosensteig
Ferchensee Bannholzer Weg Kälbersteig

Unterhalb der Alpspitze

Mit Ulrich und Jesper aus Dänemark verlasse ich die Verpflegungsstation. Sie sind zum ersten Mal im Ausland in den Bergen unterwegs. In Dänemark haben Sie nur den Himmelberg zum Trainieren, wenn’s mal weiter rauf gehen soll. Der galt bis 1847 als höchster Berg Dänemarks und ist …147 Meter hoch. Ich habe gegoogelt, man hat mit moderneren Messmethoden noch einen höheren „Riesen“ gefunden, er heißt Møllehøj und misst genau 170 Meter und 86 Zentimeter. Verständlich, bei diesen Höhen muss man schon sehr genau sein. Über Jahrzehnte führte man in Dänemark sogar heftige Diskussionen, ob nicht doch der 172,54 m hohe Grabhügel des Yding Skovhøj als höchster Berg gilt. Er wird aber nicht gezählt, da er keine natürliche Erhebung ist.

Die beiden sind trotz Höhentrainingsdefizit gut drauf und schlagen sich wacker. Da fällt mir auf, dass sie die Startnummern 2000 und 2001 tragen, damit müssten sie ja die ersten Anmelder auf der Supertrailstrecke gewesen sein. „Ja, ja, wir konnten es nicht erwarten und wollten unbedingt sicher dabei sein“, erzählt mir Ulrich.

Bis zur Bergstation Alpspitzbahn liegen auf den nächsten 10 Kilometern über 1100 Höhenmeter vor uns. Die ersten drei davon sind auf breiten Forstwegen noch mäßig steil und einfach zu bewältigen. Dann geht’s tief rein in den Stuibenwald. Auf wunderschönen Single-Trails schlängeln wir uns langsam nach oben. Janina nennt ihn den Gute-Laune-Aufstieg.

Der Wald ist abwechslungsreich und es gibt viel zu sehen. Neben uns rauscht die Bodenlaine in einem tiefen Bett. Wenig später passieren wir das „Moosviech“. Tolle Felsformationen, umgestürzte Bäume zum Übersteigen und dazu der begeisternde Trail faszinieren mich, obwohl der Aufstieg zäh und mühsam nach oben führt.

Von weiter oben kann man bereits Anfeuerungsrufe vernehmen, aber es dauert noch etwa 15 Minuten, bis wir das erste Teilstück dieses langen Anstiegs geschafft haben. Etwas oberhalb der Talstation der Längenfelder Bahn verlassen wir den Wald. Hier unterläuft im Übrigen der bis dahin führenden Italienerin Simona Morbelli beim UT ein verhängnisvoller Fehler. Sie biegt nach unten ab und erspart sich die Schleife über den Osterfelderkopf. Kurz vorher wurden wir noch von ihr überholt.

Nach zweihundert Metern aufwärts erreichen wir V8. Liegestühle stehen für eine kurze Entspannung bereit. Die Plastikschale voll Nudelsuppe schmeckt köstlich, wenigstens hier sind wir nicht gezwungen, auf unsere Mini-Trinkbecher zurückzugreifen. Nach ein paar Minuten Erholungspause geht es weiter.

Wir befinden uns mittlerweile auf 1600 m Höhe mit wunderbarer Aussicht ins Reinthal, noch fehlen aber 400 m bis zur Bergstation der Alpspitzbahn. 6 km beträgt die Runde, die uns hinauf und wieder runter zur Längenfelder Verpflegungsstation zurück bringt. Bis zur Hochalm ist die Schotterstraße gut zu marschieren, aber dann geht sie in eine höllisch steile Rampe über, die einem nochmals die letzte Kraft aus den Gliedern saugt. Ich bin am Jubeln, als sie überwunden ist.

Durch das Skigebiet geht es rauf zum Osterfelderkopf direkt am Fuße der imposanten Alpspitznordwand – mehr atemberaubende alpine Kulisse geht fast nicht mehr. Die Alpspitz-Ferrata gehört zu den beliebtesten Klettersteigen in Deutschland. Er überwindet die letzten 500 Höhenmeter auf den Gipfel der Alpspitze. Da müssen wir aber nicht hinauf. Auch weiter unten ist die Landschaft bereits hochalpin und äußerst karg, nur niedriges Buschwerk und kahle Felswände gibt es zu sehen. Und ein paar Kunstwerke, oder sind es Erholungsschaukeln? Ich weiß nicht genau, was es darstellt. Ein paar Meter weiter am Aschengratdurchstich wurde in die mächtigen Felsen ein Durchbruch gesprengt. Vor uns liegt die Bergstation der Alpspitzbahn und der Final Countdown bzw. Aufstieg.

Die letzten Aufstiegsmeter führen uns rechts an der Bergstation vorbei. Leider versagt bleibt uns der grandiose Blick hinunter ins wilde Höllental von der Aussichtsplattform „AlpspiX“. Zwei rund 25 Meter lange Stahlträger formen ein schwebendes X über tausend Meter Tiefe. Sie liegt nur wenige Meter oberhalb der Alpspitzbahn, aber links vom Gebäude. Dazu müssten wir noch etwa 100 Meter aufsteigen. Auf’s Bild bekomme ich sie auch nicht richtig, so sehr ich mich anstrenge.

Endlich oben, fast 3.000 Höhenmeter sind gepackt. Vor uns liegen jetzt noch 9 km Downhill. Wer sich jetzt aber auf einen gemütlichen Abstieg freut, wird schnell eines Besseren belehrt. Schon von Beginn an geht der Weg steil und felsig an Bergflanken entlang und oft steil bergab. Ich weiß bereits, was auf mich zu kommt, bin hier schon bei Tag und Nacht abgestiegen und es war jedes Mal brutal schwer.

Immer wieder treffen wir auf Bergwachtleute, die sich hier oben mit Lagerfeuern und teils improvisierten Zelten etwas eingerichtet haben und die Nacht hier verbringen, um bei einem Notfall schnell eingreifen zu können. Für mich sind sie wahre Berghelden, nicht nur die schnellen Racer. Ohne sie könnten wir unserem Vergnügen hier nicht nachgehen. Dass sie auch dringend benötigt werden, dafür sprechen die nackten Zahlen. Insgesamt 300 Abtransporte aus alpinen Regionen mussten im Verlaufe der Veranstaltung durchgeführt werden. Ernsthaft passiert ist glücklicherweise nichts.

Nur kurz halte ich mich, zurück am Längenfelder VP, am Getränkestand auf. Jetzt wird es eng, die Zeit drängt. Mario und ich wollen um 22 Uhr zum Anpfiff des Spiels unseres Teams bei der WM in Brasilien im Ziel sein. 50 Minuten bleiben, um die Live-Übertragung auf Großbildleinwand im Musikpavillon, von An fang an mitverfolgen zu können.

Auch bei meinem dritten Mal ist der Abstieg nicht leichter. Richtiges Laufen ist für mich gefahrenfrei kaum möglich. Überholt werde ich dennoch, aber das sind fast ausschließlich die Vorderen des Ultratrail-Klassements. In Hammersbach ist der Abstieg zu Ende. Zwei Kilometer auf Asphalt sind noch bis unters Zielbanner in Grainau zu absolvieren. Um ein paar Minuten haben Mario und ich den Anpfiff verpasst, Tore sind noch keine gefallen, so haben wir nichts versäumt. Neben uns gibt die Damen-Siegerin im Ultratrail, Anne-Marie Flammersfeld gerade ihr Ziel-Interview.

Aufstieg im Stuibenwald   Kleine Pause   Nudelsuppe an der Längenfelder VP
Rampe an der Hochalmbahn Bergstation Alpspitzbahn AlpspiX
Schwerer Abstieg Geschafft Finisherfoto
 

Siegerehrung

Eine tolle Sache ist beim Zugspitz Ultratrail auch die stimmungsvolle Siegerehrung, sie findet am Sonntag um 10 Uhr statt. Eine Stunde nachdem der Lletzte auf der Strecke des Ultratrails über die Ziellinie läuft. Anders als bei vielen anderen Rennen findet sie nicht nur vor einer Handvoll Sieger samt Anhang statt, sondern hier werden vor vollbesetzter Kulisse in drei Kategorien je Geschlecht die Sieger aller vier Rennen gekürt und alle bekommen ihren verdienten Applaus.

Sensationeller Gewinner des Ultratrails bei den Herren ist Stephan Hugenschmidt, nebenbei hat der noch den Streckenrekord des Spaniers Miguel Heras von 2011 um fast 20 Minuten pulverisiert. In wahnsinnigen 10:36.50 Stunden ist er über die Strecke geflogen. Dem kleinen Lauffloh sieht man das überhaupt nicht an. Favorit Mohamad Ahansal steht nicht auf dem Treppchen, bei ihm lief von Anfang an überhaupt nichts zusammen, nach 40 Kilometern musste er bereits die Segel streichen. Beim Basetrail hat unsere Olympia-Teilnehmerin und Nachwuchshoffnung Laura Dahlmeier den 2. Platz erreicht und bewiesen, dass Biathleten nicht nur Schießen und Langlaufen können. Am Ende dürfen alle Berghelden auf die Bühne zum Gesamt-Finisherfoto.

Der Zugspitz Ultratrail hat bewiesen, dass er zu Recht als die Nr. 1 in Deutschland gilt. Alles ist perfekt organisiert und abgewickelt. Nicht optimal dagegen ist oftmals die Form, bzw. das Können der Teilnehmer. Manch einer mutet sich zu viel zu. Bei den Rücktransporten der Bergwacht sind auch diesmal Läufer dabei, die noch nie einen Fuß auf alpines Gelände gesetzt hatten, wie uns Rennleiter Wolfgang Pohl beim Resümee berichtet.

Der ZUT ist ein hartes Rennen und man sollte schon wissen, auf was man sich einlässt. Aber er ist auch ein verdammt schönes und aufregendes Erlebnis.

Mario
Bernie
12:12:58
12:12:59


 
 
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