Nachdem ich im Dezember 2022 nach meinem bis dato letzten Einsatz bei einem MOUNTAINMAN Event noch mit einer goldenen Medaille für meine zehnte Teilnahme ausgezeichnet wurde, musste ich verletzungsbedingt eineinhalb Jahre warten, bis es endlich wieder so weit ist. Die MOUNTAINMAN-Veranstaltungen sind für mich immer eine Herzensangelegenheit, hier fühle ich mich wohl, so freue mich sehr, endlich wieder einmal Chefin Jutta, Rennleiter Horst, Mädchen für alles Lena und viele andere vom Team zu treffen. Mein erster Weg führt aber immer zu meinen Spezies, den Moderatoren Rudi & Stephan. Sie sind ja auch meist die letzten die man am Start verabschiedet und die ersten, die man im Ziel zu Gesicht und auch zu hören bekommt. Meistens werde ich dann auch mit einem hochprozentigen Tröpfchen wieder begrüßt.
Zum vierten Mal bin ich heuer in Nesselwang am Start und es hat auch wieder kleine Veränderungen gegeben. So ist die Startzeit für den XL (42 km | ca. 2250 Hm) von 7 Uhr auf 8 Uhr nach hinten verschoben worden, was mir sehr entgegen kommt, da ich immer erst zum Raceday anreise. Damit verbunden ist auch die Zusammenlegung mit der L-Strecke (33 km | ca. 1950 Hm), was natürlich ein bedeutend größeres Starterfeld bedeutet, mit Behinderungen am ersten Anstieg ist zu rechnen. Nachdem Mitte Mai mit knapp 1300 Teilnehmenden bereits ein neuer Teilnehmerrekord für Nesselwang aufgestellt wurde, hat man das Kontingent nochmal hochgesetzt auf 1400.
Zielschluss für alle Strecken ist um 18.00 Uhr, das bedeutet für XL & L ein Zeitlimit von 10 Stunden. Bisher hatte ich da noch nie Probleme, aber in Anbetracht, dass dies mein erster Trail über Marathonlänge seit fast zwei Jahren ist, dazu noch mit satten Höhenmetern ausgestattet, muss ich heuer wohl diese Marke im Visier haben. Aber ganz so streng nimmt man das bei den MOUNTAINMAN-Events nicht, auf den letzten wird für gewöhnlich immer gewartet, auch wenn die Zeitvorgabe dann bereits überschritten ist.
Nicht großartig verändert haben sich die Wetteraussichten zu den meisten Jahren zuvor. Richtig warmes und sonniges Wetter gab’s in Nesselwang noch nie. Im Vorfeld meist reichlich Regenfälle, die den Kurs dann, an diversen Stellen zur Schlammschlacht mutieren ließen. Auch in dieser Woche und insbesondere gestern Abend, kamen wieder gewaltige Schauer vom Himmel, sodass wieder mit einigen Schlammbädern zu rechnen ist. Ich habe mich vorsichtshalber angepasst und meine Schlappen mit dem gröbsten Profil gewählt.
Wie bei den meisten Trails heutzutage Usus, gibt es auch hier eine vorgeschriebene Pflichtausrüstung, die wird beim Zugang zum Startkanal stichprobenartig kontrolliert. Rennleiter Horst kennt mich und weiß, dass ich alles dabeihabe und lotst mich an den Kontrolleuren vorbei. Großen Wert legt man auf die Rettungsdecke und auf das Mobiltelefon, was auch Sinn macht. Wer aussteigt während des Rennens, muss sich bei der Rennleitung abmelden. Eine Suchaktion in den Bergen kann sonst teuer werden für denjenigen.
Zu Status Quo und „Whatever You Want” wird der Start mit einer riesigen Kuhglocke eingeläutet. Ich freue mich, heute gemeinsam mit Reporterkollege Günter auf die Tour zu gehen. Schon lange haben wir uns nicht mehr getroffen, bis vor einigen Jahren war das noch des Öfteren der Fall. Wir haben uns ziemlich hinten eingeordnet, so eilig haben wir es nicht. Die über 400 Starter und Starterinnen sorgen für einiges an Zeit bis wir den Startbogen, eingehüllt im künstlichen Nebel, passieren können.
Der Anlauf bis zum ersten Anstieg beträgt gerade einmal 400 Meter, so schnell hat sich das Feld noch nicht entzerrt, so ist die erwartete Stockung keine große Überraschung. Überraschend für mich aber der Zustand des Wirtschaftsweges mit seinen tiefen Fahrrinnen. Normalerweise standen wir hier jedes Mal bereits knöcheltief in der Suhle, heute präsentiert sich der Weg relativ trocken, ist erfreulicherweise ganz passabel zu begehen und man muss sich nicht an der Seite, am etwas erhöhten Seitenstreifen hocharbeiten. Einen Kilometer und zweihundert Höhenmeter zieht sich der Weg hinauf. In etwa genauso weit geht es auf dem Kreuzweg Maria Trost nachfolgend auch wieder runter.
Nach gut 2 km erreichen wir mit dem Wasserfallweg bereits den optischen Höhepunkt und so etwas wie das Aushängeschild der Veranstaltung. Genau 599 Stufen weißt der Wasserfallweg auf. Bis vor einigen Jahren war er noch komplett mit Holz abgestützt. Nachdem er 2016 durch einen Felssturz arg in Mitleidenschaft gezogenen wurde, wurden viele Holzteile durch Stahl und Gitterroste ersetzt. Genau 237 Stufen bestehen jetzt aus Stahl. Der Einstieg führt uns gleich auf die längste Stahlgittertreppe neben dem höchsten Wasserfall des Schloßbächel. Er rauscht hier über zahlreiche Wasserfälle von der Alpspitz runter ins Tal.
Kontinuierlich steil zieht sich der Wasserfallweg über die vielen Stege, Holzstufen und Brücken nach oben. Um genügend Fotos schießen zu können, verzichte ich hier noch auf meine Stöcke. Der letzte Abschnitt führt uns aus dem hohen Baumbestand auf eine Lichtung. Ich bin beeindruckt. Noch nie hatten wir so eine wunderbare glasklare Aussicht über die Voralpenlandschaft.
Nach 4,5 km und 660 Höhenmetern liegen die ersten beiden Anstiege für die XL-Starter*innen hinter uns. Die Teilnehmer*innen auf der L-Strecke müssen noch ein kleines Stück weiter aufsteigen. Die Streckentrennung führt uns auf einen Schotterweg nach links weiter. Vor, bzw. über uns liegt nach 400 Metern der Transit Tower, er markiert die Mittelstation der Zipline AlpspitzKICK, wo man an einem Drahtseil hängend, in zwei Sektionen mit bis zu Tempo 120 km/h ins Tal fliegen kann.
Für uns geht es ebenfalls abwärts, in Serpentinen führt uns die Schotterstraße bis kurz vor die Wallfahrtskirche Maria Trost. Ein schöner wurzeliger und wieder oft mit vielen Holzstufen abgestützter Pfad führt uns im Wald wieder aufwärts bis zur Kappeler Alp, wo nach 8,5 km die erste Verpflegungsstation auf uns wartet.
Rudi und Jutta sind vom Startplatz umgezogen und erwarten hier die XL-er. Jutta weißt mich sofort auf die grandiose Aussicht heute hin. Erstmalig präsentiert sich uns der berühmte Neuschwanstein-Blick im glasklaren Tageslicht. Über dem Weissensee und den Dächern von Füssen thront das Schloss gut sichtbar, ohne es groß suchen zu müssen. Vor lauter Euphorie über die grandiose Aussicht, vergesse ich glatt etwas zu trinken, so muss ich nochmal zurück an den Getränkestand.
Nach dem kurzen Bergauf-Intermezzo geht es wieder abwärts bis ganz runter ins Tal. Kurz nach km 10 sind wir unten und ab hier sind die Racer gefragt. Eine Zeitmessmatte markiert den Beginn des Bergsprints “V500”, wo auf den folgenden knapp 5 Kilometern 500 Höhenmeter zu meistern sind und der schnellste in einer separaten Wertung prämiert wird. Die Anfangskilometer sind ausschließlich auf Asphalt, später mischen sich dann noch Schotterabschnitte dazu. Also, richtig was zum Gas geben. Für den, der’s draufhat natürlich, wir Nachzügler im hinteren Starterfeld zählen aber eher weniger dazu. Der Toni Seewald schafft als schnellster den Bergsprint in stolzen 30 Minuten, während ich dafür… lass mers lieber, nicht so wichtig.
Ich lasse es lieber etwas gemächlicher angehen, wir sind ja erst im Anfangsstadium unseres Rennens und will hier nicht bereits meine Körner verschwenden. Eine Kuh steht mitten auf der Piste, als eine Radlerin von oben ankommt, setzt sie sich urplötzlich fluchtartig in Bewegung und zwingt die Bikerin zu einer Notbremsung, um nicht auf die Hörner genommen zu werden.
Auf der Rückseite passieren wir wieder die Kappeler Alp, gleich wird es wieder lebhaft auf der Strecke. Die später gestarteten S-Starter*innen kommen uns von oben entgegen. Kurz vor dem Sportheim Böck endet der „V500“ wieder mit einer Zeitmessmatte. Gesamt 15 km und bereits 1400 absolvierte Höhenmeter stehen hier für die XL-er auf der Uhr. |