Getreu
dem Motto: "Wer was auf sich hält, läuft von Eisenach
nach Schmiedefeld" steh'’ ich mit Hans, Magic, Jan und
Mario um 5:45 in aller Früh hier am Start auf dem noch in leichten
Nebel gehüllten Marktplatz von Eisenach. Das ganze Treiben
hat irgend etwas Ruhiges und Besinnliches, ganz anders als die sonst
gewohnte Starthektik wie bei den großen Stadtmarathons, selbst
bei der Kleiderabgabe gibt es keine Anstehzeiten, wahrscheinlich
könnte man seine Utensilien sogar noch gemütlich nach
dem Startzeichen abgeben. Einzig der Moderator sorgt für eine
gewisse Lautstärke und dann natürlich auch ein paar Minuten
vor dem Start die Hymne hier schlechthin: das Rennsteiglied. Auf
der Heichelheimer Kloßparty am Vorabend wurde es uns auch
schon mit den hervorragenden Klößen – bei uns in
Bayern wären es Kartoffelknödel – serviert. Ganz
unüblich gibt’s hier zu den Kohlenhydrathen auch noch
Gulasch und Blaukraut. Speedy als Vegetarier hat das natürlich
abgelehnt, so kamen Magic und ich zu einer Extra Portion leckerer
Knödel.
Warum bin ich eigentlich hier, bisher stehen nur Marathons auf meiner
Liste und weiter bin ich auch noch nie gelaufen. Ganz freiwillig
ist das nicht passiert, ursprünglich wollte ich auch nur den
Marathon laufen, aber die anderen hatten alle nur den Supermarathon
im Kopf und so ein Ausflug im Team ist natürlich viel schöner.
Organisatorisch ist es mit den weit entfernten Startorten kaum vernünftig
zu lösen, so habe ich mich halt nötigen lassen und wer
weiß für was es gut ist. Ich geb’s aber gerne zu,
die Fakten dieses Laufes: 72,7 km, 1.500 Höhenmeter hinauf
und noch 1.000 runter haben mir schon etwas von meiner Schlafenszeit
geraubt, die Nacht war doch sehr kurz.
Deutschland steht heute flächendeckend mit Läufern aus
allen 16 Bundesländern am Start und es gibt auch mit 1.969
Läufern einen neuen Anmelderekord für den Supermarathon.
Punkt 6 Uhr werden wir mit einem "Gut Runst" auf die Strecke
geschickt, ich meine auch schon mal so etwas wie ein leichtes durchspitzeln
der Sonne erspäht zu haben, zu schön wäre es. Der
letzte Wetterbericht hat doch etwas von einem ungemütlich durchziehenden
Wolkenband mit viel Regen erzählt. Richtung Osten, durchs Nikolaitor
hindurch geht’s für die meisten erstmal im ruhigen Tempo
aus der Stadt hinaus, aber schon nach 600 Metern, am Stadtpark wird
die erste Steigung erreicht. Beruhigend ist, sie wird "nur"
25 km anhalten. Klaus Duwe (marathon4you) hat mir schon eingeimpft,
hier musst du dich zurückhalten und möglichst Kräfte
sparen.
Hans und insbesondere Mario legen hier schon mal ordentlich los,
er versucht's wieder mit seiner Harakiri-Taktik: erst mal schauen
was geht und Zeit gutmachen, hinten hilft der "liebe Gott".
Ich habe heute nur ein Ziel und das ist: das Ziel, zuviel Respekt
habe ich vor dieser Distanz. Ok, unter 10 Stunden würde ich
schon gerne bleiben, mir geht’s aber erstmal nur um’s
Dabei sein. Magic und Jan halten sich erstmal auch in meiner Nähe
auf. Bis zur Einmündung an den wirklichen Rennsteig sind es
7 km, der Weg ist feucht, etwas uneben und stellenweise auch glitschig.
Tolle Kreationen kann man beobachten, einer hat sich das Rennsteig
"R" in seine Haarpracht schneiden lassen, andere haben
Rennsteig-Tätowierungen an den Beinen oder Armen und alte Rennsteig-Finisher-Shirts
kann man in aller Varianten bestaunen. Hier sind halt lauter Lauf-
und insbesondere Rennsteigbegeisterte auf der Piste.
Mit einem ersten komme ich schon nach ein paar Kilometern ins Gespräch.
Udo Pitsch, ich kenne ihn nur von seinen Laufberichten im Internet,
er ist aus Könnigsbrunn und spult seine Trainingseinheiten
im gleichen Laufrevier am Lech ab, daher spreche ich ihn an und
ist ja auch eine schöne Abwechslung auf dem langen Weg. Außerdem
haben wir beide ein ähnliches Problem, wenn's zu viel wird,
zwickt's im A…, ein Muskel oder Nerv gönnt uns nicht
immer das Laufvergnügen. Er hat sich ein ziemlich hohes Laufprogramm
für dieses Jahr auferlegt, fast jede Woche läuft er einen
Marathon, gelegentlich auch mal einen Samstag und Sonntag. Am Ende
soll das Ziel der 24 Std. Lauf von Berlin im Juli sein. Das Tempo
hier am Anstieg ist nicht sonderlich hoch und auch nicht so steil,
daher kann man sich angenehm unterhalten.
Nach 50 Minuten habe ich die erste Verpflegungsstelle erreicht und
wenige Meter später, am Gasthaus Hohe Sonne sind wir an der
Einmündung in den Rennsteig, früher stand hier das Jagdschloss
von Herzog Ernst August von Weimar. In der Ferne kann man die Wartburg
erkennen. Wir laufen aber nicht nur in den Rennsteig ein, sondern
auch in den Pummpälzweg. Diese Rad- und Wanderverbindung zwischen
Eisenach und Bad Salzungen, ist auf den nächsten 5 Kilometern
identisch mit dem Rennsteig. Seinen Namen hat er dem Kobold Pummpälz
zu verdanken, der in diesen Wäldern sein Unwesen treiben soll,
er lauert Nachtwandlern auf, springt ihnen in den Nacken und verteilt
Ohrfeigen, um dann nach einigen Metern wieder zu verschwinden. Bloß
gut dass es schon hell ist. Der Pummpälzweg e.V. widmet sich
dem Erhalt dieses herrlichen Weges und veranstaltet hierfür
u.a. auch den Pummpälzlauf über die Halbmarathon-Distanz.
Nach etwas mehr als einer Stunde zieht sich der Himmel immer mehr
zu und schon fängt es an zu regnen. In der Ferne kann ich auch
einen leisen Donner vernehmen. Der Blick in den Himmel sieht schon
ziemlich trostlos aus, das kann ja noch heiter werden, wir haben
schließlich noch mehr als 60 km vor uns. In weißer Voraussicht
und auch weil ich den Rennsteigbericht von Klaus, auf dem Portal
von m4y 2006 gelesen habe, wo das Wetter auch gewechselt hat, habe
ich mir mal eine Ärmellose Jacke in ein kleines Täschchen
gepresst und umgeschnallt, jetzt bin ich Dankbar dafür, so
lässt sich die Nässe doch gleich viel besser ertragen.
In leicht welligem Profil, auf gut zu laufenden Wald- und Kieswegen
gewinnen wir so langsam an Höhe.
Während es sich so einregnet, komme ich mit Dietmar Urban aus
Weimar ins Gespräch, er gehört auch zu den alten Haudegen
auf dieser Strecke, heuer ist er zum 22. Mal auf dem Rennsteig,
aber es soll sein letztes Mal sein. Am Grenzadler in Oberhof will
er seinen Lauf und auch seine Rennsteigkarriere beenden, mit 70
schmerzen ihm die Knie schon zu sehr. Viele Kilometer erzählt
er mir von seinen Läufen und Abenteuern, auch schon Altersklassensieger
war er hier. So ganz nehm' ich ihm den Ausstieg nicht ab, so einen
schlechten Eindruck macht er mir nicht, aber die Laufstrecke wird
so natürlich sehr kurzweilig für mich. Tatsächlich,
nach einer guten halben Stunde hellt sich jetzt der Himmel wieder
auf, die Schleusen werden geschlossen und wir laufen wieder im Trockenen.
Nach 17 km überholt mich marathon4you-Autor Eberhard, ein kleines
Schwätzchen geht immer, er prognostiziert mir gleich meine
Endzeit, anhand meiner Marathonzeiten. Ganz so optimistisch wie
er bin ich nicht und vor allem nicht dazu entschlossen auf "Teufel
komm raus" zu laufen. Und dann ist es soweit, wir erreichen
bei Km 17,6 die Verpflegungsstelle Glasbachwiese. Ich komme zum
ersten Mal in den Genuss des berühmt-berüchtigten Haferschleims,
dem man ja wahre Wunderdinge, sprich Energieschübe nachsagt.
Unter 4 Sorten kann man wählen: Natur, Heidelbeere, Traubenzucker
oder Orange. Was soll ich nehmen? Erst greife ich zu Orange, nein...
ich wähle lieber doch die Heidelbeeren, die machen so eine
schöne Farbe und ganze Fruchtstücke sind auch drin. Als
Bayer würde ich jetzt sagen: "Wenns schee macht und die
Power a no kimmt dann passts scho".
Gleich nach der Brotzeitstation geht es in einen richtigen schönen
Singletrail mit Wurzeln und allen Drum und Dran. "Ja, wir sind
halt auf Europas längstem Crosslauf, steht ja überall
so beschrieben". Hier steht auch gerade Klaus mit seiner Kamera
und sucht sich die besten Schnappschüsse, da bleibt mir wieder
Zeit für ein kurzes Pläuschchen. So macht mir das heute
schon richtig Spaß. Oberhalb unseres Weges ist eine Teerstraße
– schaut mir nach einem Stau aus – die Verursacher werden
wohl wir sein. Man kann diesen ersten fast 20 Kilometer Anstieg
ziemlich unterschätzen, denn eigentlich könnte man deutlich
schneller laufen, die Steigung ist eigentlich meistens sehr moderat
und gut zu machen, wenn danach nicht noch über 50 km vor einem
liegen würden.
Die Strecke wird jetzt aber doch spürbar steiler, unebener
und schwieriger. Einen Kilometer, bevor wir den Großen Inselsberg
erreichen, passieren wir noch auf 830 m den Oberen Beerberg. Ein
Läufer weißt mich auf einen etwas höher gelegenen
Felsen mit toller Aussicht hin. Das lasse ich mir nicht zweimal
sagen und steige zu einem Porphyrfelsen hoch, so kann ich einen
wunderbaren Ausblick in das Inselsberger Loch genießen, einem
der größten Höhenunterschiede im Thüringer
Wald.
Nach 3 Std. 20 Min. erreiche ich den Gipfel, hier gibt es ein paar
Häuser, eine Gastwirtschaft und ein paar Türme mit Antennenanlagen
zu sehen, aber nur ganz kurz, denn gleich geht es wieder 1,3 km
ziemlich steil bergab. Der Weg führt über glitschige Stufen,
fast hätt’s mich hingehauen, mit Mühe kann ich einen
Sturz vermeiden. Äußerst unangenehm zieht es sich runter,
ich muss wirklich auf der Hut sein und richtig einbremsen.
Bei Km 26,8 erreichen wir die Grenzwiese, wo ein großer Versorgungspunkt
für uns aufgebaut ist. Ihren Namen hat sie von der früheren
Grenze zwischen Sachsen und Gotha. Ich genehmige mir Schnittlauchbrot,
Suppe und Cola. Am Parkplatz wartet Siggi unsere Team-Fotografin
auf mich. Wir haben bei ihr Shirts, Socken, Schuhe usw. deponiert,
um uns gegebenenfalls umzuziehen. Ich überlege kurz ob ich
meine Weste ablegen soll, aber ich traue dem Frieden nicht, stattdessen
packe ich mir noch ein paar frische Socken in die Westentasche und
auch meine dünnen Handschuhe. Während des Regens hatte
ich doch arg klamme Finger und ich muss ja schließlich für
den Bericht fotografieren. Als bekennender Handschuhläufer
stehe ich aber dazu, nichts ist schlimmer als kalte Hände beim
laufen.
Ab Kilometer 30 beginnt für mich heute der härteste Abschnitt
der Strecke. Inzwischen bin ich bald 5 Stunden unterwegs, Hüftabwärts
gibt es eigentlich nur mehr wenig, was man nicht spürt, besonders
schmerzen links die Addukktoren, auch die rechte Plantarsehne brennt
heftig und am Schienbeinansatz hat sich durch das Bergablaufen eine
schmerzhafte Entzündung eingestellt, zum Ganzen habe ich noch
ca. 40 km vor mir. Ja und zusätzlich komme ich jetzt mal fast
2 Stunden mit Niemanden ins Ratschen. :-) Ich erinnere mich an den
Ausspruch, frisch gelesen im neuesten Runner’s World von Ultralauf-Guru
Byron Powell: "Es wird nicht immer noch schlimmer, sondern
irgendwann geht es auch wieder aufwärts". Na, da bin ich
mal gespannt.
Einen mentalen Schub gibt es wieder an der Ebertswiese, Versorgungsmäßig
lässt diese Station keine Wünsche offen, dem berühmten
Satz: "Man kommt hungrig zum Start und kommt satt ins Ziel"
kann man wenig entgegen setzen. Desweiteren sind hier 37,4 km geschafft
und das ist schon mal mehr als die Hälfte. Die Sonne strahlt
hier richtig vom Himmel, ich versuche meine Weste wieder in meine
Gürteltasche zu packen, die ist jetzt aber noch zusätzlich
befüllt mit Handschuhen und Socken, darum gelingt es mir nicht
mehr. Die Prozedur hält mich aber für einige Minuten auf
dem Wiesengelände fest.
Gleich danach geht’s mal wieder eine Steigung hoch, eigentlich
geht es fast immer auf oder ab, auf dem Streckenprofil kann man
das sehr leicht unterschätzen, da sieht das Teilstück
ziemlich eben aus. Die Wege sind dazu meist sehr anspruchsvoll und
oft mit Steinen gepflastert. Meine Taktik ist an den Anstiegen schnelles
Gehtempo und sobald es wieder flach oder abwärts geht, zu laufen.
Das haut recht gut hin, ich bekomme immer so meine Erholung.
Mir fällt immer Andrea Möhr mit ihrem roten LAC Berlin
Shirt auf, am Berg wenn ich gehe, überholt sie mich und im
Flachen oder abwärts überhole ich sie wieder. Über
viele Kilometer zieht sich das Spiel so hin, irgendwann zwischen
Km 45 und 50 spreche ich sie dann doch einmal an. Vor zwei Wochen
hat sie noch einen 24 Stunden-Lauf absolviert und dabei 158 km geschafft
und im Herbst will sie auch noch den Ironman von Frankfurt durchziehen,
aber heute tun ihr die Knie etwas weh, die Erholung war wohl doch
zu kurz und beim Gehen ist's eher schlechter, meint sie. Ja, hier
am "langen Kanten" sind wirklich lauter Laufverrückte
unterwegs. Wir unterhalten uns fast bis Oberhof, immer wieder mal
getrennt an den Anstiegen.
Irgendwann fällt's mir dann auf: "Eigentlich sind meine
ganzen Zipperlein verschwunden", mein körperliches Wohlbefinden
ist jetzt wirklich wieder ausgezeichnet und das zwischenzeitliche
kleine Tief verschwunden, hat der Bryon Powell also doch recht behalten.
Ich fühle mich gut und freue mich schon auf den Grenzadler
in Oberhof, da wäre ich nämlich mal gerne im Winter wenn
die Biathleten ihre Wettkämpfe abhalten. Nach über 7 Std.
komme ich dort an, der Gedanke an einen eventuellen Ausstieg kommt
mir aber nicht im Mindesten, vielmehr geht mir jetzt durch den Kopf:
"Jetzt bin ich ein Ultraläufer". Nach einer Brotzeit
schau ich mich nach dem Grenzadler um, den will ich unbedingt fotografieren,
direkt an der Teerstraße steht der Grenzstein mit dem preußischen
Adlerschild.
Und wen treffe ich ein paar Meter weiter: Dietmar Urban, natürlich
ist er nicht ausgestiegen, das hab ich mir doch gleich gedacht,
wer hier 21 Mal durchläuft, steigt doch nicht beim letzten
Lauf vorzeitig aus. Gemeinsam machen wir uns auf den weiteren Weg.
Die Steigungen nehmen jetzt wieder deutlich zu, auf oft ganz ruppigen
ausgewaschenen Wegen führt die Strecke hinauf zum höchsten
Berg Thüringens. Dietmar erzählt mir ununterbrochen bis
zum Gipfel von alten DDR-Zeiten. Trotzdem ist das alles andere als
ein Spaziergang, der Aufstieg auf diesen schweren Wegen ist ziemlich
kräftezehrend. Die Wolken ziehen sich am Gipfel oben richtig
zu und ein paar Regentropfen gibt’s auch noch auf die Mütze.
Ein Blick auf die Uhr lässt mich jetzt doch etwas nervös
werden, unter 10 Std. will ich auf alle Fälle kommen. Aber
irgendwie kann ich mich von Dietmars Storys nicht lösen, dann
nütze ich aber doch eine Pinkelpause um mich aus dem Staub
zu machen.
Die ganze Zeit habe ich schon die Aussage von Klaus im Kopf: "ab
dem letzten Gipfel geht es nur mehr moderat abwärts, da muss
man noch Kraft haben um noch mal richtig laufen zu können".
Nach den ersten Metern spüre ich es ganz gewaltig, ich hab
noch richtig was drauf – kein Wunder nach der Ratschtour –
und nehme mir vor, Klaus Tipp in die Tat umzusetzen und Gas zu geben.
An der Verpflegungsstation Schmücke bei Km 64 genehmige ich
mir nur ganz kurz einen Becher Cola und noch schnell etwas Wasser
über den Kopf, denn die Sonne strahlt jetzt wieder vom Himmel
und weiter geht's. Ich fühle mich richtig prächtig und
Schmerzen hab ich auch keine mehr. Die Überholspur gehört
jetzt mir, einen nach dem anderen schnappe ich mir, dieses leichte
Gefälle ist auch wunderbar zu laufen.
Als nächstes freue ich mich jetzt auf die letzte Getränkestation,
da gibt es nämlich das dunkle Köstritzer Bier, scharf,
nicht bleifrei. Aber vorher muss tatsächlich noch ein Stück
Steigung bewältigt werden, da hatte ich nicht mehr damit gerechnet,
aber jetzt kann ich sogar noch bergauf laufen. Obwohl mir die Uhr
sagt, es gibt keine Zeit mehr zu verschenken, kippe ich schnell
den Becher Bier runter, das hat aber wirklich nicht mehr als 10
Sekunden gedauert, jetzt aber "hurry up".
Beim Kilometerschild 65 merke ich mir ungefähr die Zeit und
rechne mir aus, dass ich in weniger als 30 min. das 70er Schild
erreichen müsste, aber dieses verflixte Schild kommt nicht.
Ich kann nicht glauben dass ich doch so langsam unterwegs bin. Nein,
das kann nicht sein, hinter jeder Kurve hoffe ich es zu sehen, aber
es kommt nicht. Habe ich es vielleicht übersehen? Egal, ich
werde es zeitig schaffen, denke ich mir. Und dann löst sich
doch alles auf, ich bin erleichtert, die haben doch tatsächlich
das 70er Schild ausgelassen, stattdessen kommt jetzt bereits das
71er. Nachdem ich dieses Schild passiere, durchfährt mich ein
unglaublich geiles Gefühl, ich weiß jetzt, ich habe es
geschafft. Ich freue mich wahnsinnig, das Ziel nimmt mir keiner
mehr und ein paar Minuten Luft habe ich auch noch auf die 10 Stunden.
Obwohl es noch mal kurz vor dem Ziel etwas bergauf geht, schwebe
ich auf Wolke 7 ins Ziel ein.
Was haben die anderen gemacht: Mario hat bis Oberhof Druck gemacht
und Hans immer hinter sich gelassen, dann musste er aber doch seinem
Anfangstempo Tribut zollen und Speedy und Magic vorbei ziehen lassen.
Sein gestecktes Ziel war, zur Siegerehrung in Schmiedefeld zu sein,
was ihm mit einer 7:36 eindrucksvoll gelungen ist. Magic hielt sich
von Anfang an weit zurück, die ersten 25 km hat er sich
seine Körner gespart und war immer hinter Hans. Nach dem Grenzadler
schloß er erst zu Speedy auf und an der letzten Steigung ein
paar hundert Meter vor dem Ziel hat er ihn dann doch noch gepackt.
Mit hervorragenden 7:12 und 7:13 liefen sie ein.
Ich wollte eigentlich mit Jan etwas langsamer machen, aber den hat
dann doch schon ziemlich früh der Ehrgeiz gepackt und ist davon
gezogen. Heraus kam eine wirklich tolle 8:21. Bei mir wurde es letztendlich
eine bescheidene 9:49, dafür habe ich aber bestimmt viel mehr
Geschichten gehört und mehr nette Leute getroffen und vor allem
viel Spaß gehabt. Mein Fazit lautet daher ganz einfach: "Schee
wars". Der Rennsteig sieht mich bestimmt mal wieder, aber dann
mach ich auch ernst ;-))
Von 1.797 Läufern am Start, erreichen 1.730 das Ziel, die Ausfallquote
ist hier relativ niedrig.
Am Abend gehen wir in Eisenach noch zum Essen, unser Dresscode:
Finisher-Shirt und Medaille um den Hals und Stolz wie Oskar, genauso
wie es uns die Amis in den Staaten immer vor machen. Auch zum Essen
haben wir sie nicht abgelegt.
|