Eine neue Trailrunning-Serie begrüßt uns unter der Bezeichnung MOUNTAINMAN. Austragungsort ist Reit im Winkl im Dreiländereck Tirol-Salzburg-Bayern im bayerischen Chiemgau. 2019 sollen noch drei weitere Orte folgen, ein zusätzlicher in Deutschland und zwei in Österreich. Bis 2021 soll die Serie letztendlich auf 8 Orte ausgebaut werden, darunter auch Austragungen in Italien und Rumänien.
Die Veranstalter verfolgen ein Konzept mit moderaten Zeitlimits, bei dem auch Breitensportler das Ziel erreichen können. Neben Trailrunnern sind daher auch Hiker und Marschierer gerne gesehen. Alles zusammen nennt sich daher ganz präzise: „MOUNTAINMAN Trail.Run.Hike.“ Für einen wie mich, der hin und wieder mal mit Besenläufern und Zeitlimits auf dem Kriegsfuß steht, ist das eine sehr erfreuliche Ankündigung.
Für Trailrunner gibt es eine Zeitmessung und Wertung, beim Trailhiking wird zwar auch die Zeit gemessen, aber ohne offizielle Ranglistenwertung. Zudem dürfen auch Hunde mit auf die Strecke gehen, sie sollen lediglich angeleint sein. Funktioniert bei unseren „Schweinehunden“ meistens nicht so leicht, aber bei 14 Stunden Zeitlimit können sie bestimmt locker in Zaum gehalten werden.
Nicht verwechseln sollte man die neue Mountainman-Serie mit der gleichnamigen Schweizer Veranstaltung. EU weit hat man sich den Namen MOUNTAINMAN schützen lassen, aber die Schweizer gehören da nicht dazu und kochen ihr eigenes Süppchen. Also sind zwei gleichnamige Namen in unserem Raum möglich.
Drei Streckenlängen werden angeboten. Sie nennen sich kurz und bündig S, M & L. Jede Distanz hat eine Farbe, mit der auch die Strecken markiert sind. Jeder sollte sich also seine Farbe einprägen und nicht einfach irgendwelchen Pfeilen nachlaufen, da die drei Strecken teilweise über identische Abschnitte führen. Die blaue S-Strecke ist die kürzeste, sie ist 22,9 km lang und weißt 780 Höhenmeter auf. Die M-Strecke ist rot und reicht mit 39 km und 1500 Höhenmetern fast an eine Marathondistanz heran. „L“ ist die Königsdisziplin und ein kleiner Ultra, die Farbe Schwarz steht für 51 km und rund 2200 Höhenmeter. Da schwarze Markierungen natürlich Blödsinn auf Naturbelägen wären, sind die Bodenmarkierungen durch Gelb ersetzt.
Der morgendliche Startnummernempfang entfällt, alle Voranmelder haben ihre Unterlagen per Post nach Hause geschickt bekommen. Trotzdem heißt es natürlich früh aufstehen für mich am Raceday, da der Start bereits um 6 Uhr angesetzt ist. Ich reise direkt von zu Hause an, so klingelt um 2 Uhr mein Wecker. Um Frühstück braucht man sich nicht zu kümmern, in der Festhalle in Reit im Winkel, die als Start- und Zielort dient, werden Kaffee und Brezen serviert. Die Gemeinde hat eine Wiese direkt neben der Halle frisch gemäht und uns als Parkplatz zur Verfügung gestellt.
Zum „Frühstart“ haben sich die Teilnehmer der beiden Langstrecken eingefunden. Die „Kurzstreckler“ können ausschlafen, sie müssen erst um 10 Uhr ran. Am Startplatz werden wir vom Moderatoren-Team Rudi & Stephan auf den Start eingestimmt und mit Infos versorgt. Der Bürgermeister von Reit im Winkl hat es sich nicht nehmen lassen, uns zu begrüßen und freut sich mit der Gemeinde auf eine erfolgreiche Partnerschaft. Ein paar Nebelkerzen werden gezündet und mit Kuhglocken werden wir auf eine halbe Ehrenrunde um den Sportplatz und dann auf die Piste geschickt.
Der Krautloidersteg führt uns nach einem guten Kilometer über die Lofer und im weiteren Verlauf noch ein Stück an ihr entlang, immer noch alles schön flach, gut zum Warmwerden. An der ersten kleinen Steigung erwarten uns wieder die beiden Moderatoren und peitschen uns den kurzen Anstieg hoch. Kurz darauf erreichen wir Gut Steinbach (km 3), wo ich mir erstmal ein Stück Kuchen als erstes Frühstück genehmige.
Vor uns liegen die Skisprung-Schanzen des WSV Reit im Winkl. Der Schanzenrekord auf der Franz-Haslberger-Schanze liegt bei 103 m. Es gab Überlegungen vom Veranstalter, den Aufsprunghügel in unseren Kurs einzubauen. Bei einer Umfrage auf Facebook wurde aber der Daumen zu oft nach unten gezeigt, so verzichtete man darauf. Wäre aber schon witzig gewesen, finde ich. Aber bei teilweise über 70 % Steigung auf den 55 Höhenmetern auch eine ziemliche Viecherei. Das „Vergnügen“ können sich aber Einheimische seit drei Jahren beim 2 km langen „UMMI & AUFFI Sprungschanzenlauf“ mit Höhepunkt auf dem Schanzenhügel geben.
Nicht ganz so steil wie auf dem Sprunghügel, aber dennoch ganz ordentlich, geht es jetzt neben den Schanzen hoch. Auf drei Kilometern sind 500 Höhenmeter, auf recht passablen Wegen zu bewältigen. Wie gewonnen, so zerronnen, gleich im Anschluss geht es wieder runter. Länger gezogen als der Aufstieg ist die Schotterstraße, über 4,5 km recht angenehm runter zu laufen und zwischendrin auch mit kurzen Traileinlagen versehen.
An der neuen Gondelbahn (eine der modernsten in Deutschland) in Seegatterl, die ins Skigebiet Winklmoosalm/Steinplatte führt; sind wir unten. Über den weiträumigen Parkplatz geht es noch vor bis zur Seegatterlalm (km 12,5) wo die zweite Verpflegungsstation auf uns wartet. Auch hier unterhalten uns wieder Rudi und Stephan mit einigen flotten Sprüchen. Kurz vor acht zeigt meine Uhr an, genau die richtige Zeit für eine zünftige Brotzeit. Da bin ich hier richtig. Griebenschmalz-, Käsebrote, Kuchen und Obst werden angeboten, das passt. Frisch gestärkt geht es weiter. Man sollte jetzt gut die roten und gelb/schwarzen Markierungen beobachten, hier trennen sich nämlich unsere Wege. Aber keine Angst, natürlich gibt es auch Posten, die alles überwachen.
Nach der Schrankenanlage in Seegatterl steht der zweite Aufstieg bis zur Winklmoosalm an. Autofahrer müssen für die Durchfahrt 5 Euro Mautgebühr bezahlen um bequem hinauf zur Alm zu gelangen. Wir bezahlen mit ordentlich Schweiß. Die Hochalm mitten in den Chiemgauer Bergen liegt auf 1200 m Höhe. Normalerweise gibt es hier ein großartiges Panorama mit Blick auf die Loferer Steinberge, heute reicht der Blick nicht ganz so weit. Dafür kann man sich mehr mit der Winklmoosalm beschäftigen.
Sie ist wohl eine der bekanntesten Almen in Deutschland. Berühmt geworden als Heimat von Rosi Mittermaier, der Ski-Olympiasiegern von 1976.
Hier ist sie aufgewachsen und hat das Skifahren gelernt. Zweimal Gold und einmal Silber holte sie in Innsbruck. Gold-Rosi war geboren und die Rosi-Mittermaier-Hysterie brach aus. Tausende kamen zu Autogrammstunden. Die Winklmoosalm wurde zur Pilgerstätte für Fans. In den ersten vier Wochen nach diesen Erfolgen hat der Postbote 40.000 Briefe herauf bringen müssen. Genau heute wird ihr anlässlich des Jubiläumsjahres 100 Jahre Freistaat und 200 Jahre Verfassungsstaat Bayern vom Ministerpräsident der Bayerische Sportpreis als Jahrhundertsportlerin verliehen.
Ein kurzes Stück unterhalb liegt das Almstüberl, über eine Zeitmessmatte gelangen wir nach 18 km zum Verpflegungsposten im Vorgarten der Hütte. Ich kann mich wieder nicht zurückhalten und muss von den köstlichen Tiroler Speckbroten probieren. Bei Getränken gilt wie an allen VPs: Jeder muss seinen eigenen Becher dabei haben, es werden keine Einmalbecher ausgegeben. Zudem sind in der Pflichtausrüstung auch 1,5 l Flüssigkeit vorgeschrieben. Hier können wir nachtanken.
Die nächsten fünfhundert Meter führen uns noch leicht bergab, dann erreichen wir die Landesgrenze zu Österreich mit seinem Bundesland Salzburg. Ein Stück bergauf beginnt das Moos, von dem die Winkelmoosalm ihren Namen hat. Der Weg nach oben durch das Moorgebiet ist über 1,5 km mit Brettern auslegt, die sind nass und glitschig. Einmal unachtsam, mache ich einen Schritt ins Grüne und prompt stecke ich im Moor. Dabei sieht das ganz harmlos aus. Aber jetzt weiß ich Bescheid. Wir laufen direkt an der Landesgrenze entlang. Zwischendrin kann man immer wieder restaurierte, alte Grenzsteine begutachten. Nach dem Moos geht es am Rande einer Skipiste weiter bis zur Bergstation des Skilifts Scheibelberg. Hier beginnt das Österreichische Skigebiet Steinplatte. Über einen Weidezaun steigen wir ins Skigebiet ein.
Der Aufstieg zum Steinplattengipfel beginnt recht human auf einer Schotterstraße. Nach etwa zwei Kilometern betreten wir durch ein Gatter eine Weide, schlagartig verschärft sich unser Aufwärtstrend. Bis zu 40 % Steigung beinhaltet der etwa 500 m lange Abschnitt über die Wiese. Im Schneckentempo quälen sich hier ausnahmslos alle nach oben.
Nach halber Umrundung eines Wasserspeichers führt uns ein kurzer Abstecher hinauf zum Gipfel der Steinplatte. Mittlerweile laufen wir hier oben in dichten Wolken. Gleich zweimal verpasse ich die Markierungen, darf so den kleinen See nochmal umrunden und auch der Abzweig zum Gipfelkreuz entgeht mir. Den lasse ich mir aber nicht entgehen und steige nach Hinweis eines Mitläufers nochmal zurück. Leider gibt‘s heute auf dem Gipfel der 1.869 m hohen Steinplatte null Aussicht. Hier verläuft auch die Grenze der Bundesländer Salzburg und Tirol.
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