Schon Anfang des Jahres wurde ich auf eine Laufpremiere aufmerksam, die Ende September in der oberfränkischen Gemeinde Litzendorf stattfinden sollte. Der „Brauereinlauf durch die Fränkische Toskana“ weckte mein Interesse und natürlich wollte ich mir diese Premiere auch nicht entgehen lassen.
Die Fränkische Toskana ist eine Tourismusregion, die die Gemeinden Litzendorf, Memmelsdorf und Strullendorf zusammenfasst. Alle drei Gemeinden werden beim Marathon, der neben einem Halbmarathon und einem 10-Kilometerlauf angeboten wird, auch durchlaufen. Die Bezeichnung Fränkische Toskana geht auf den Bamberger Mundartpoeten Gerhard Krischker zurück, der 1996 in einer Erzählung von seinen Ausflügen in diese Region berichtet. Im Jahr 2005 beschlossen die drei Gemeinden sich gemeinsam als „Fränkische Toskana“ zu präsentieren, was sich in Tourismus- und Wanderführern natürlich hervorragend liest und im Gedächtnis bleibt. Die leicht wellige Landschaft an den Ausläufern des fränkischen Juras erinnert tatsächlich an die italienische Namensgeberin. Sie liegt vor den Toren Bambergs, das sich auch wunderbar für eine Übernachtung anbietet, sollte man in den kleinen Pensionen in den drei Gemeinden keine Unterkunft für den Marathon mehr finden.
So haben es jedenfalls Bernie, Jan und ich gemacht. Wir haben uns am Ortrand von Bamberg zwei Zimmer in einem Hotel gebucht, denn den Brauereinlauf wollten wir morgen gemeinsam laufen und erleben. Zuerst geht es jedoch direkt nach Litzendorf. In der Touristinformation können wir unsere Startunterlagen bis 18:00 Uhr abholen. Im Anschluss wollen wir auch noch auf die „Kloss mit Soss Party“ im Festzelt auf der Litzendorfer Tanzwiese gehen. Unsere Startnummern haben wir schon nach wenigen Minuten in Händen, auch die Nachmeldung von Jan klappt reibungslos und so begeben wir uns zügig zur Tanzwiese, die gleich hinterhalb liegt, denn es ist inzwischen recht frisch geworden. Im Festzelt spiel eine Blaskapelle auf und wir holen uns unseren Kartoffelknödel, sprich den Kloss, den es wahlweiße mit Braten-, oder für die Vegetarier auch mit Bechamel-Soße gibt. Der Kloss ist lecker, dient aber allenfalls als Vorspeise, so dass wir uns auch schnell weiter auf den Weg nach Bamberg machen. Dort beziehen wir unsere Zimmer und lassen den Abend mit einer Pizza ausklingen.
Am nächsten Morgen fahren wir gemeinsam wieder zurück nach Litzendorf. Es scheinen tolle Laufbedingungen zu werden. Am Himmel ist keine Wolke auszumachen und die Sonne strahlt. Die Temperaturen sind noch reichlich frisch, aber es sind heute etwa 15 Grad angekündigt, also steht aus unserer Sicht einem perfekten Lauftag nichts im Wege. Die Vorfreude auf den Brauereinmarathon ist jedenfalls groß. Kati Schramm und Axel Ott parken kurz nach unserem Eintreffen hinterhalb der Touristinformation gleich neben uns ein, so dass es schon früh morgens ein freudiges Wiedersehen mit unseren Lauffreunden gab. Schnell haben wir entschlossen, dass wir den Marathon heute wirklich gemütlich und gemeinsam bewältigen wollen. Die Verpflegungsstationen und auch die zahlreichen Bierverkostungen wollen wir ausnützen und in erster Linie Spaß haben. Nach zahlreichen Läufen in den vergangenen Wochen, wollen wir es langsam angehen lassen und das Zeitlimit von sechs Stunden ausnützen. Thomas Damaschke vom LIWA-Lauftreff mussten wir auch nicht lange von unserem Plan zu überzeugen. So hatten wir eine wirklich spaßige Truppe zusammen, der Brauereien-Marathon konnte kommen.
Wie angekündigt erfolgt der Start pünktlich um 10.00 Uhr, allerdings nur für uns Marathonis. Der Start der Halbmarathonis, die ebenfalls mit uns uns auf die Reise geschickt werden sollten, wird auf 10.15 Uhr verschoben, was wohl dem hohen Zuspruch dieser Premiere geschuldet war. Nur vereinzelt haben ein paar Teilnehmer die Durchsagen scheinbar nicht wahrgenommen und fanden sich so im Teilnehmerfeld der Marathonläufer wieder. Der Start- und Zielkanal war mit zahlreichen Zuschauern gefüllt und so scharrten gut 140 Marathonis unter den Klängen von AC/DCs Hells-Bells mit den Laufschuhen.
Erst mal geht es durch den Kanal raus zur Hauptstraße und dann durch den Ortskern von Litzendorf. Wir nähern uns der katholischen Pfarrkirche St. Wenzeslaus und dem Pfarrhaus, das uns im weiteren Verlauf des heutigen Tages immer wieder als Orientierungspunkt dienen wird. Denn die barocke Kirche St. Wenzelaus wurde aus leuchtend, goldgelben Eisensandsteinquadern errichtet und ist im Ellertal schon von weitem zu erkennen. Sie wurde von 1715 bis 1718 durch den Baumeister Johann Dientzenhofer errichtet. Der Kirchturm mit seinen Scharwachttürmen ist noch im gotischen Stil gestaltet und ein wahrer Blickfang. Litzendorf verlassen wir jedoch nach einem kurzen ersten Anstieg und laufen auf einem Radweg in Richtung Schammelsdorf, wo wie bereits bei Kilometer 2 die erste Brauerei erreichen werden.
So treffen wir also schon nach wenigen Minuten zum Frühschoppen bei der Brauerei Knoblach in Schammelsdorf ein. Das landwirtschaftliche Anwesen entwickelte sich etwa um 1800 zur Gastwirtschaft. Braumeister Michael Knoblach serviert noch heute seinen hauseigenen Gerstensaft. Er hat vier Sorten im Angebot, ein ungespundenes Lagerbier, das Märzen „Räuschla“ (fränkisch für Rausch), ein dunkles Landbier und natürlich auch ein Hefeweizen. Der Inhalt in meinem Becher sieht recht dunkel aus, wir dürfen also das Landbier verkosten und es schmeckt lecker. So lässt sich der Marathon also schon gut an.
Nach der ersten Stärkung heißt es aber nun mal laufen, weshalb wir ja eigentlich hier sind und die weitere Strecke führt uns über Feld- und Radwege durch die Landschaft der fränkischen Toskana. Es gibt immer wieder leichte Anstiege zu bewältigen, aber auch längere Bergabpassagen, wo man es wunderbar rollen lassen kann. Es haben sich schon einige Grüppchen gebildet, die den Marathon gemeinsam unter die Füße nehmen wollen. Diejenigen, die heute auf Zeit laufen wollen, sind längst aus unserem Blickfeld entschwunden. Gutgelaunt kommen wir voran und tauchen schließlich in ein größeres Waldgebiet ein. Hier wartet bei Kilometer 8 die nächste Verpflegungsstation auf uns. Es gibt allerdings nur Wasser und Bananen. Macht aber nichts, es sollten ja noch sieben Brauerei auf uns warten, man soll es ja nicht gleich am Anfang übertreiben.
So geht es noch etwas durch den Wald und wir müssen keine zwei Kilometer warten, bis wir von einem Radweg nach links zur Regnitzer Alm abbiegen. Hierbei handelt es sich um einen Vereinsbiergarten des Regnitztaler e.V., einem Verein, der sich der Pflege der fränkischen Traditionen verschrieben hat. Zweimal im Jahr veranstalten sie unter anderem ein rauschendes Weinfest mit mehr als tausend Besuchern. Hier wird heute leider kein Bier ausgeschenkt. Aber es gibt neben Wasser deftige Brote und Obst. Wir stärken uns also für die weiteren Aufgaben. „Ich bin schon leicht unterhopft“, wird gescherzt und wir freuen uns auf den nächsten Verpflegungsstand, denn da wird auch wieder Bier gereicht. Bis dahin sind es allerdings noch vier Kilometer.
Es geht leicht hüglig weiter durch die fränkische Toskana und wir kommen gut voran. Und schon laufen wir in den Biergarten des Brauerei-Gasthofes Sauer in Roßdorf am Forst ein. Hier wird schon seit 1784 Bier gebraut. Bereits in der dritten Generation bietet die Familie Sauer ihren Gästen fränkische Bierspezialitäten. Richard Sauer und Sohn Christian zeigen sich hier für das süffige Urbräu, ein feinherbes Pils, das Weißbier und ein frisches Braunbier verantwortlich. Wir dürfen heute das Braunbier verkosten und es wird vor unseren Augen frisch aus dem Fass in Steinkrüge gezapft. Wobei der Franke den Begriff Steinkrug eigentlich aus seinem Wortschatz verbannt hat, hier heißt das „Krügla“. Und so stoßen wir also gemeinsam mit unseren Krügla an und genießen das Bier, das uns Kraft für den weiteren Weg geben wird.
Die Dichte an Verpflegungsstationen wird auf den kommenden Kilometern deutlich zunehmen und so können wir uns schon nach weiteren vier Kilometern über einen Besuch in der Almrauschhütte Amlingsstadt freuen. Die Almrauschhütte wurde bereits im Jahr 1935 erbaut und bietet mit seinem wunderbaren Waldbiergarten zahlreichen Gästen Platz. Die fränkische Traditionsbrauerei Ott ist seit über 300 Jahren in Familienbesitz und deren Bier wird hier ausgeschenkt. Uns empfängt eine Blaskapelle und Bernie würde sie am liebsten gleich dirigieren. Doch wir haben andere Aufgaben. Es gilt das Bier der Brauerei Ott zu verkosten. Bernie greift sich ein 5-Liter-Fass und posiert vor der Kamera. Ich greife mir ebenfalls eines und tu nur zum Schein so, als würde ich direkt aus dem Fass trinken. Ich habe die Rechnung nicht mit Kati gemacht, sie dreht den Hahn auf und der Großteil des goldenen Hopfensafts ergießt sich über mein Lauf-Shirt. Die Helferin kommentiert es nur mit einem Lachen: „Ich hab nichts gesehen!“. Die Stimmung passt, wir sind endgültig angekommen beim Brauereienlauf und ich rieche nun auch wie ein Teil von ihm.
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