Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für biologische Kybernetik haben herausgefunden, warum Menschen ohne Orientierungshilfe im Kreis laufen, selbst wenn sie versuchen, eine Richtung einzuhalten. Dahinter steckt aber nicht die Dominanz eines Beins, das einen immer in eine bestimmte Richtung drängt. Vielmehr irren die Menschen zufällig herum und die Kreisform ergibt sich automatisch irgendwann aus den zufälligen Abweichungen von der angepeilten geraden Linie. Dies wurde mit Hilfe von GPS-Geräten bei Versuchen z. B. in der Sahara herausgefunden. Menschen verlieren demnach ohne optische oder akustische Hilfe jeden Orientierungssinn.
Mit GPS-Geräten sind auch die meisten Teilnehmer des 6-Stundenlaufes in Ottobrunn ausgestattet. Aber nicht, weil sie Angst haben, die Orientierung zu verlieren. Sie werden auch so immer 1,442 km im Kreis laufen. Und das sechs Stunden lang. Das hört sich auch für mich erst mal verrückt an, doch wer noch nicht bei einem solchen Rennen dabei war, kann darüber nicht urteilen. Also gebe ich meine Anmeldung bei den beiden Organisatoren des Laufs, Angelika und Manfred Rau ab. Der Ottobrunner 6-Stunden-Lauf ist, wie Manfred später erklärt, derjenige, den es in Deutschland am längsten ohne Unterbrechung gibt. Bereits seit 1996 findet der Lauf jährlich im Ottobrunner Sportpark statt.
Zusammen mit Charly treffe ich pünktlich im Sportpark ein und wir holen uns wie immer erstmal die Startnummer. Dass es sich um eine sehr familiäre Veranstaltung handelt, merkt man hier sofort. Nicht nur das Ehepaar Rau ist sehr engagiert, auch die beiden Söhne und die Tochter sind mit dabei und hängen sich mächtig ins Zeug. Von der Tochter bekommen wir zunächst mal unsere Startnummern überreicht. Danach verziehen wir uns wieder in Charlys Bus. Dort ziehen wir uns um und lamentieren noch etwas darüber, auf was wir uns da wohl wieder eingelassen haben. Sechs Stunden im Kreis laufen. Draußen ist es kalt, diesig und feucht, nicht gerade das, was man unter idealem Laufwetter versteht. Ich wähle ein langes Laufunterhemd, ein Shirt und eine dünne Windjacke, es soll ja gegen Mittag wärmer werden. Wir begeben uns schließlich eine viertel Stunde vor Start in Stadion und lassen unsere Wechselklamotten im Auto. Ein Fehler, wie sich später herausstellen sollte.
Im Stadion treffe ich noch kurz Dietmar Mücke, den meisten nur als Pumuckl bekannt. Er wohnt hier um die Ecke und unterstützt den Ottobrunner 6-Stunden-Lauf seit Jahren. Schließlich ruft uns Manfred zur Besprechung zusammen. Fast alle siebzig gemeldeten Läufer sind anwesend, aber Manfred ist dank einer kräftigen Stimme gut zu verstehen. Die Regeln sind ja auch einfach. Gestartet wird außerhalb des Stadions, sodass man nach gut 34 Runden die 50er Marke im Stadion erreicht, wo für diese Distanz die Zwischenzeit genommen wird. Pinkeln in freier Wildbahn ist ausdrücklich verboten. Wer dabei erwischt wird, wird – egal ob Männlein oder Weiblein – gnadenlos disqualifiziert. Fürs Geschäftliche gibt es Toiletten bei den Umkleiden im Stadion. Nachdem Manfred uns den Ablauf der nächsten sechs Stunden erklärt hat, spazieren wir gemeinsam zum Start. Es geht raus aus dem Stadion zu einem kleinen Park, schön zwischen mehreren älteren Wohnanlagen gelegen.
Manfreds Junior übernimmt für eine Runde die Führung und danach kennt sich jeder aus. Wir laufen durch die Wohnsiedlung im Park, wo es zu späterer Stunde ziemlich matschig wird, danach vorbei an ein paar Tennisplätzen, biegen danach in Richtung Stadion ab und drehen dort auf der Tartanbahn eine Runde. Auf der Start-Ziel-Geraden ist die Verpflegungsstation aufgebaut, die dem Büffet in einem Drei-Sterne-Hotel gleicht. Manche Teilnehmer haben auch eigene Verpflegungstische aufgebaut. Nach der Runde auf der Tartanbahn gibt es einen kleinen Anstieg. Hinter den Tribünenplätzen geht’s vorbei und an der Sprecherkabine, wo Angelika unermüdlich die Startnummern abliest und notiert. Zur Sicherheit sind zwei weitere Buchhalterinnen im Einsatz.
Wir umrunden kurz noch den Rest des Stadions und laufen wieder raus in die Wohnsiedlung. Das war's. Runde Eins ist beendet. |