Im Südosten liegt zu Fuße der Buchensteinwand Hochfilzen. Biathlon-Fans werden das kennen, bereits drei Mal fanden hier die Biathlon-Weltmeisterschaften statt, neben den jährlichen Weltcuprennen. Neben Fieberbrunn, St. Jakob in Haus, St. Ulrich am Pillersee und Waidring zählt Hochfilzen zu den fünf Orten des Pillerseetals.
Wir nehmen aber die nördliche Flanke um wieder runter zu kommen, anfangs über Skipisten der Pillerseebahn, später dann auf gut zu laufenden Forststraßen, die nicht allzu steil sind und mir richtig Spaß machen. Mit Devrim habe ich einen netten Gesprächspartner, der auch viel Interessantes zu erzählen hat, weil er fast jede Woche unterwegs ist, so sind wir ruckzuck unten. Neben St. Jakob in Haus, an der Talstation der Pillerseebahn, kommen wir im Tal unten an. Von hier kann man nochmals das gewaltige Jakobskreuz auf dem Gipfel gut betrachten.
Unser nächster Aufstieg liegt einige Kilometer entfernt, so sind 5 Überführungskilometer im Flachen zu absolvieren. Mittlerweile brennt die Sonne ungehindert von oben, das Quecksilber wird schon langsam wieder auf 30 Grad tendieren. Ich bin froh – wie als Pflichtausrüstung vorgeschrieben – meine Getränkeflaschen vollgefüllt dabei zu haben. Hin und wieder sind kurze Schattenpassagen dabei, aber meist schmoren wir auf den Asphaltwegen und später am Grießelbach entlang in der Sonne. Die Grießelbachmühle bietet uns eine willkommene Abwechslung um den Kopf unter kaltes Wasser zu stecken und etwas abzukühlen.
In St. Ulrich am Pillersee wartet nach 14 km die erste Labestation auf uns. Red Bull, Cola, Iso, dazu Süßes und Salziges, ein reichhaltiges Angebot steht bereit um wieder Flüssigkeit und Energie aufzunehmen. Bloß …ich hab keinen rechten Appetit, das gefällt mir gar nicht. Bis hierher ist es aber ganz gut gelaufen. Es gibt hier auch so ein Zeitlimit von dreieinhalb Stunden als Anhaltspunkt, da bin ich eine Stunde darunter.
Für ein paar hundert Meter noch auf Asphalt führt uns der Kirchweg an der barocken Pfarrkirche St. Ulrich vorbei ins Kalktal. Wir passieren die älteste Latschenöl-Brennerei der Welt mit eigenem Brennerei-Museum. Seit über 150 Jahren werden hier Latschenkiefern, Edeltannen, Wiesenheu und Arnika aus dem Tiroler Hochgebirge zu hochwertigen Pflegeprodukten verarbeitet. So ein Wunderelixir hätte ich jetzt auch nötig. Nach den ersten Aufstiegsmetern habe ich das Gefühl als ob mir jemand den Stecker gezogen hat, meine Beine wollen überhaupt nicht mehr laufen. Mit meinen Mitläufern kann ich nicht mehr ansatzweise mithalten.
Steinere Stiege wird der Steig durch das Kalktal genannt. Der abenteuerliche, oft mit Drahtseilen gesicherte Streckenabschnitt führt uns oberhalb eines ausgetrockneten Bachlaufs steil nach oben und bietet uns einige spektakuläre Tiefblicke. Mit meinen müden Beinen sind die steilabfallenden Passagen nicht ungefährlich, ich bin hier sehr vorsichtig. Nach anderthalb Kilometer überqueren wir den Kalkbach und es geht im Wald weiter, aber immer noch ziemlich steil, bis zum Sattel zwischen Kirchberg und Gerstberg. Mehrere Pausen, in denen ich mit Energy Gels vollpumpe helfen mir auch nicht weiter. Meiner leichten Erkältung mit Niesanfällen und laufender Nase habe ich in der zurückliegenden Woche keine große Beachtung geschenkt, vermutlich liegt hier die Ursache in meinem körperlichen Einbruch.
Nach 4 Kilometern bergauf ist der höchste Punkt unseres zweiten Anstieges auf etwa 1550 Meter Höhe erreicht. Wellig geht es weiter und es wird wieder etwas komfortabler. Am Alpengasthof Adlerspoint vorbei, führt uns der Kalksteinweg auf Schotter zur zweiten Versorgungsstation an der Rohrmoosalm (km 20,5). Die Station ist unbemannt, aber Wasser und Iso stehen ausreichend zur Verfügung. Mittlerweile hat sich der Himmel vollkommen zugezogen und hier oben auf den Freiflächen zieht es gewaltig. Ich wechsle mein schweißnasses Hemd und ziehe mir auch eine ärmellose Weste über. Der Regen bleibt aber glücklicherweise aus.
Am Kalkstein beginnt der Abstieg. Rustikal und steil geht es querfeldein nach unten. Nach etwa 1,5 km treffen wir wieder auf eine Schotterstraße. Ich bin froh es wieder etwas laufen lassen zu können. Die Straße wechselt auf Asphalt, in Serpentinen geht es runter. Bergab läuft es etwas besser. Bändchen die unsere Strecke markieren, habe aber seit längerer Zeit nicht mehr gesehen. Ich bin anfangs der Meinung, es gibt nicht unbedingt einen Grund welche anzubringen, aber irgendwann kommt mir das dann doch spanisch vor.
Meine ältere GPS-Uhr hat nur eine unzureichende Wegeführung, daher habe ich auf einen Upload des GPX-Files verzichtet. Aber mit den Startunterlagen haben wir auch eine recht genaue Streckenkarte ausgehändigt bekommen und ich gehöre noch zu dem Jahrgang die mit sowas aufgewachsen sind und sie lesen können. Ich habe tatsächlich in meinem leichten flow eine Abzweigung in den Wald verpasst. Müsste jetzt mindestens einen Kilometer wieder aufsteigen. Dazu fehlt mir aber die Muse. Bis ganz runter ins Tal sind es etwa zwei Kilometer. Mit einem kleinen Umweg treffe ich in St. Johann wieder auf die Originalstrecke. Da ein Rennabbruch für mich im Raum steht, laufe ich die Teerstraße weiter.
Schön ist der Umweg an der Hauptstraße entlang nicht, aber ich bin richtig und erreiche durch die Fußgängerzone in der Altstadt von St. Johann die dritte Labestelle als mittlerweile Letzter im Teilnehmerfeld. Das offizielle Zeitlimit endet hier um 15.30 Uhr, damit hätte ich immer noch über eine Stunde Luft zum Cut-off. 14 Stunden beträgt die Sollzeit für die 60 km, so blieben mir für die zweite Hälfte noch gut 8 Stunden. Drago und Maria, zwei weitere Mitläufer/innen, die vor mir ankamen, steigen aus. Ich lasse mir noch Zeit für eine Entscheidung. Es ist nicht einfach für mich.
Mein Kopf kann sich mit einem DNF noch überhaupt nicht anfreunden, mein Körper fordert es schon längst. Ich überlege immer noch, ob es vielleicht doch möglich wäre, weiter zu laufen? Ein Ausstieg auf dem Kitzbüheler Horn wäre für mich nicht möglich, da bei meiner Ankunft keine Bahnen mehr fahren werden, erklärt mir der Helfer an der Station. Somit müsste ich auch mindestens wieder runter bis km 50. Sonst bleibt nur die Bergrettung. Das ist keine Alternative. Um 14.30 Uhr drücke ich den Stopp-Knopf meiner Uhr, mein Rennen ist beendet.
Drago wird abgeholt, ich kann mitzusteigen, so kann ich mir die Zugfahrt nach Fieberbrunn ersparen. Dort treffe ich mich Kathi, sie ist ein tolles Rennen gelaufen und hat bei den Damen den 7. Platz beim Speed Trail erreicht. Ist halt eine echte Rakete und auch auf dem Trail schnell unterwegs, obwohl es ihr nach 3 Kilometern mit Puls am Anschlag schon gereicht hätte. Super Leistung, großen Respekt.
Die Zieleinläufe der unterschiedlichen Strecken sind seit längeren im vollen Gange als ich im Zielbereich ankomme. In größeren Abständen treffen die Finisher ein. Beim Marathon Trail sind die ersten drei Herren und die erste Frau im Ziel. Ausfälle gibt es auf dieser Distanz wenige zu verzeichnen, die Strecke ist „gesund“ in 14 Stunden gut zu bewältigen. Schwierig sieht es auf der 100 Meilen-Strecke aus, von etwa 90 Startern erreichen nur 22 Männer und 2 Frauen das Ziel in Fieberbrunn. Ein Teil davon hat aber von der Ausstiegsmöglichkeit in Kitzbühel Gebrauch gemacht und sich in die Wertung des Endurance Trail aufnehmen lassen.
Organisation, Location und Strecken sind kaum mehr zu verbessern, das steht einer Neuauflage nichts mehr im Wege. Der Termin für den KAT100 im nächsten Jahr steht auch schon fest. Von 6. – 8. August 2020 wird die Challenge in pink wieder hier steigen. Da hätte ich ja noch was gut zu machen.
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