Zu dritt sind wir dieses Jahr in Kopenhagen, Margot, Charly und ich. Margot ist unser Scout und uns deshalb einige Stunden voraus um die organisatorischen Dinge zu erkunden. Als wir gegen 19:00 Uhr ankommen, müssen wir ihr nur noch in die Innenstadt folgen um ein nettes Lokal für unser Abendessen zu finden.
Unser Hotel, das Cabinn Inn, liegt schön zentral. Die Zimmer sind zwar sehr klein, aber zweckmäßig eingerichtet, das Frühstücksbüffet ist reichhaltig und günstig ist es für die hiesigen Verhältnisse mit ca. 50 € pro Nacht allemal. Eigentlich sehr ruhig, wenn nicht das Kreischen vom Tivoli und das minutenlange Gebimmel des nächsten Kirchturms genau zu Mitternacht wären. Die Glocken bimmeln die reinste Arie rauf und runter.
Am nächsten Morgen ist es leicht regnerisch, kühl und windig, so haben wir uns das nicht vorgestellt. Mit dem Bus sind wir in 20 Minuten an der Messe in der Spartahalle. Die Messe ist klein und überschaubar. Erst holen wir unser Startpaket ab und sind von dem guten und schönen Finisher-T-Shirt angetan, dann versorgen wir uns noch mit Gels.
Gemütlich bummeln wir Richtung Kastell und kleine Meerjungfrau, gönnen uns zwischen-durch Kaffee und Kuchen. Die Meerjungfrau präsentiert sich vor grauem Hintergrund mit posierenden Touristen nicht sehr vorteilhaft. Für beides kann man sie aber nicht verantwortlich machen.
Wir besichtigen ab hier praktisch die Strecke km 27 bis 24 in umgekehrter Richtung und eisigem Gegenwind der morgen hoffentlich Rückenwind sein wird. Nach kurzem Abstecher in die Amalienborg und Fotostopp am Nyhavn wechseln wir auf die gegenüberliegende Kanalseite für eine Mittagspause und der kurzen Besichtigung des Kirchturms der Erlöserkirche mit der schönen Wendeltreppe außen. Leider leidet die ganze Stadt unter dem europäischen Renovierungssyndrom und geizt nicht mit Bauzäunen und Kränen.
Beendet wir unser heutiger Bummel mit der Besichtigung des Start- und Zielbereichs um uns mental richtig vorzubereiten. In gemütlichen 20 Minuten sind wir von hier wieder an unserem Hotel. Ruhepause ist angesagt und dann steht natürlich ein ordentliches Abendessen an. Steak mit Kartoffeln ist für morgen auch eine gute Alternative und beim Abendspaziergang gibt es noch ein leckeres Eis.
Wir Frühstücken in Ruhe um 7:00 und machen uns kurz vor halb neun auf den Weg. Der Wind ist so gut wie weg und die Temperaturen liegen heute wesentlich höher als gestern, nur ein paar Wolken sind zu sehen. Eine ganze Karawane ist auf dem Weg zum Start in die wir uns einreihen.
Die Abgabe der Kleiderbeutel ist gut organisiert und schnell erledigt, nur aus dem Gelände rauszukommen ist mühsam, weil immer mehr hineindrängen. Wir Mädels müssen natürlich nochmals und die Schlangen zu den Klos sind endlos. Haben noch eine halbe Stunde Zeit und kommen praktisch erst kurz vor Startschuss bei unseremStartblocks an. Charly finde ich nirgends mehr. Das ist ziemlich schade, weil wir seit langem mal wieder einen Marathon zusammen laufen wollten. Also muss ich mich umstellen und ja nicht zu schnell loslaufen.
Es gehen heute 10.500 Läufer an den Start, allerdings kommen nur 9.500 an, 1.000 steigen aus. Die Ursache ist die Hitze, man mag es nicht glauben!
Zuschauer stehen am Start sehr viele und das Tempo auf den ersten Kilometern selber bestimmen ist so gut wie unmöglich, also einfach mit der Meute laufen. Zwischen Kilometer 4 und 5 hör ich dann auf einmal eine vertraute Stimme neben mir, Charly hat mich von hinten aufgerollt und nun sind wir doch noch gemeinsam unterwegs. Passe mich dem Tempo etwas an und wir sind zügig dran.
Mir ist schon furchtbar warm, das kann noch heiter werden und ich steuer gleich die erste Getränkestation an. Muss im Anschluss wieder Tempo zulegen um zu Charly aufzuschließen. Die Strecke hat viele 90 Grad Wendungen und viele Engstellen drin, daher heißt es immer wieder Tempo rausnehmen und wieder anlaufen. Meins ist der Laufstil ja gar nicht, aber Charly spielt den Hasen und so einfach will ich ihn nicht ziehen lassen, auch wenn ich wegen meiner sehr alternativen Vorbereitung heute überhaupt nicht einschätzen kann wie lange ich mithalten kann.
Die Strecke führt gleich auf den ersten Kilometern an verschiedenen Sehenswürdig-keiten vorbei durch die Innenstadt zur Spartahalle hinaus und wir können schon einmal die Kilometerangaben für die zweite Runde in Augenschein nehmen. Eine Trommlergruppe heizt uns Läufern hier schon mal ein und ich hoffe, sie stehen in der zweiten Runde auch noch hier. Die Strecke am Kanal, dem Sortedams So entlang und immer wieder über die Brücke rüber und zurück ist ganz schön.
So zwischen Kilometer 13 und 14 passiert mir dann das Missgeschick, biege bei einer scharfen Linkskurve zu eng ein. Charly bleibt irgendwie mit seinem rechten Fuß an meinem hängen, strauchelt und fällt. Dabei erwischt er den Vordermann, der nicht weiß wie ihm geschieht und ebenfalls stürzt. Beide springen sofort wieder auf und laufen weiter, Charly hat zum Glück nur einen leichten Kratzer am Bein, die Blessuren beim zweiten Läufer können wir mangels Wissen nicht wiedergeben. Aber er lief wieder ohne offensichtliche Blutspuren. Die Größe meines schlechten Gewissens äußert sich in zwei Schritten Sicherheitsabstand hinter dem davon stürmendem Charly. Der ist nun nicht mehr zu halten als es in den Süden zum Halbmarathon rausgeht. Ich glaube, er sucht Sicherheitsabstand!
Auf diesen Kilometern gibt es so gut wie keinen Schatten und die Sonne brennt regelrecht runter. Zuschauer sind nur um die HM-Wende zu finden, dafür begegnet man hier erst den Schnelleren und dann den Langsameren. Den HM haben wir in etwa 1:52, das passt noch zu meiner Wunschvorstellung unter 4:00 zu bleiben, aber die Realität beginnt bekanntermaßen später. Erst kämpfe ich mich nochmals an Charly ran, aber bei der nächsten Tempoverschärfung geh ich nicht mehr mit und lass ihn laufen. Mein Körper sagt eindeutig, es ist genug. Von den gestrigen fröstelnden 10 Grad auf heute 25, gefühlte 30 Grad stell ich so schnell wieder nicht um.
Auf den Streckenabschnitt über Nyhaven und am Kanal entlang bis fast zur kleinen Meerjungfrau freu ich mich schon die ganze Zeit. Und die Strecke ist bei Sonnenschein und blauem Himmel einfach ein Genuss. Eine bauchfreie, mexikanisch gewandete Schön-heit bringt die Männer neben mir ins Straucheln und es wäre ein Leichtes gewesen weitere Konkurrenten auszu-schalten, aber ich beherrsche mich. Konzentriere mich lieber auf meine Füße.
In Sichtweite habe ich inzwischen die grünen Ballons der 3:50 Pacer und Charly erkenne ich in gewissem Abstand, so richtig weg kommt er nicht. Und ungefähr bei Kilometer 27 habe ich ihn dann eingeholt. Schlagartig scheint bei ihm die Luft raus und er schickt mich von dannen. Laufe mein Tempo weiter und gehe davon aus, dass er mich eh noch einholt.
So langsam dünnen die Reihen aus und man hat genug Platz zum Laufen. Die Schleife mit der 30 km-Marke ist für mich immer das Zeichen, dass es langsam ernst wird. Inzwischen ist fast ständig das Geheul eines Sankas zu hören und es gehen hier auch schon so viele. Noch hilft mir die Vorstellung bei der nächsten Getränkestation ein paar Meter zu gehen. In der Innenstadt stehen aber die Zuschauer so zahlreich und machen immer noch einen Heidenlärm, hier kann ich einfach kein Tempo rausnehmen.
Aber irgendwann zwischen Kilometer 37 und 38 ist auch bei mir Ende. Leichte Übelkeit und dieses Kribbeln auf der Haut sind mir Signal genug ein paar Meter zu gehen. Auf der zweiten Runde ist die Koordination auf dem vielen Kopfsteinpflaster auch ganz schön anstrengend. Leg noch eine zweite kurze Gehpause ein um dann die letzten 3 Kilometer bis ins Ziel durchzuhalten.
Auf der Zielgeraden stehen die Zuschauer so dicht gedrängt, dass Überholen praktisch nicht mehr möglich ist, aber das will hier auch kaum einer mehr. Ziemlich k.o., aber glücklich nehme ich Medaille und Rose entgegen.
Und dann kommt das Belohnungsbuffet, Wasser und Isogetränk in Strömen, Obst in Massen, geöffnete Joghurt mit Löffel, süße Teilchen, Cola, Bier, auf dem Weg zu den Kleiderzelten fühlt man sich richtig gut aufgehoben. So wie viele hier am Boden sitzen und liegen geht es mir noch richtig gut. Warte in der Wiese auf Charly, der 15 Minuten nach mir eintrudelt und dem unterwegs die Hitze und das Kopfsteinpflaster auch sehr zugesetzt hat.
Verpflegung kann man sich hier so oft holen wie man will und während wir auf Margot warten organisiert Heinz weitere Joghurts und Cola und wir lassen es uns gut gehen. Margot freut sich, dass wir auf sie gewartet haben, damit hatte sie nicht gerechnet.
Sie hatte eine lustige Unterstützung eines Fans auf einem Einrad, der ihr, nachdem er gesehen hat, dass sie aus Augsburg kommt, zur Stärkung zwischen km 37 und 38 ein Bier gereicht hat (von dem sie natürlich aus Höflichkeit auch trinken musste) und dabei die Zuschauer mit dem Spruch aufgefordert: Bayern München hat verloren, aber hier kommt Margot aus Augsburg um zu gewinnen – Applaus für Margot!
Drei sehr glückliche Finisher haben sich dann einen sehr schönen Nachmittag und Abend gegönnt und Kopenhagen am nächsten Tag mit einer traumhaften Bootstour und einem Abschluss-Cappuccino gemeinsam beendet.
Fazit: ein lohnenswerter Marathon mit einer sehr attraktiver Strecke, tolle, begeisterte Zuschauer und einer super Organisation mit einem unschlagbaren Abschlussbuffet. An den Lauftemperaturen müssen die Dänen noch ein wenig arbeiten, 10 Grad weniger kämen vielen entgegen. |