Nach dem
New York City Marathon 2005 sollte der Chicago Marathon der zweite
der Big Five Serie für mich werden. Der Veranstalter erhöhte
heuer das Startkontinent erstmals auf 45.000 und dennoch wurde so
früh wie noch nie, bereits Mitte April die Anmeldung geschlossen.
Irgendwie drängt sich unwillkürlich auch immer der Vergleich
mit NYC auf, anders als dort, wo man nur schwer an die begehrten
Startplätze kommt, gilt in Chicago das Motto: wer zuerst kommt,
mahlt zuerst.
Otto war sofort Feuer und Flamme, dann schlossen sich auch noch
völlig unerwartet Mario, Gerhard und sein Freund Günther
an. Schnell waren wir alle angemeldet und drin, frühzeitig
konnten wir jetzt alle Buchungen selbst in die Hand nehmen und brauchten
uns keinen überteuerten Reiseveranstalter suchen.
Anreise
Abflug für alle war Mittwoch der 3. Oktober, per Direktflug
von München waren außer Gabi und mir alle ruckzuck über
dem großen Teich und vor Ort. Wir nahmen eine amerikanische
Fluglinie und mussten so noch einen über 4-stündigen Zwischenstopp
in Atlanta einlegen, da wir anschließend noch zwei Wochen
Urlaub anhängten und wir auch nicht auf unsere Meilengutschrift
verzichten wollte.
Mario und Otto sorgten für eine ganz tolle Showeinlage während
ihres Fluges, als Otto seine Flasche Bier beinahe entglitten wäre,
konnte sie sich Mario gerade noch schnappen und den Finger in die
Öffnung stecken um nichts zu verschütten, da aber zwischen
dem Flaschenhals und dem Finger noch eine Lücke blieb, spritzte
der kostbare Gerstensaft im hohen Bogen über die benachbarten
Fluggäste. Mario war dermaßen paralysiert, dass er ganz
vergaß die Öffnung komplett zu verschließen. Dem
direkten Sitznachbar, einem Amerikaner ergoss sich so eine ganze
Menge Bier in einer wunderschönen Fontäne auf die spärlich
besiedelte Haarpracht. Der war natürlich nicht sonderlich davon
begeistert. Otto und Mario trauten sich für den Rest des Fluges
an kein Bierchen mehr ran, das Lachen mussten sie sich aber schwer
verkneifen.
Nach knapp 10 Stunden erreichten sie von München aus um die
Mittagszeit Chicago, während bei Gabi und mir sich das Ganze
bis Abends um 20 Uhr, bzw. in USA 8 p.m., hinauszog.
Vorneweg a bisserl was über die Stadt. Chicago grenzt im Osten
an den Lake Michigan, dem fünftgrößten Süßwassersee
der Welt. Der Name leitet sich aus dem Wort Checagou ab, mit dem
die Potawatomi-Indianer das Marschland beschrieben, wo später
die Stadt gegründet wurde. Das indianische Wort bedeutet sowohl
wilde Zwiebeln wie auch Stinktier. Frei übersetzt bedeutete
Checagou also soviel wie "Land, das nach Zwiebeln stinkt".
Im Volksmund wird Chicago auch "The windy city" genannt.
Dies geht zum einen auf die oft starken Winde, die richtig kalt
durch die Wolkenkratzerschluchten pfeifen, zum anderen aber auf
die Korruption und die historische, insbesondere während der
Prohibition, verbreitete Kriminalität zurück. Sollte man
doch wissen oder?
Tag 2
Für Donnerstag um 7:30 a.m. setzen wir gleich einen erstes
Läufchen an. Wir hatten uns ein Hotel in traumhafter Lage ausgesucht,
direkt am Eingang zum Grant Park, vielleicht 200 Meter vom Marathon
Start- und Zielgelände entfernt. Wir mussten insgesamt 3 Straßen
und den Park überqueren und schon war das Wasser erreicht.
Die Skyline von Downtown beeindruckte von hier ungemein. Das Wetter
meinte es auch wirklich gut mit uns und bereits am frühen Morgen
herrschten Temperaturen von angenehmen 15 - 18 Grad. Wir liefen
an der Bayshore entlang, wo insgesamt 47 km nur für Läufer
und Radfahrer angelegt sind, unsere Route führte am Field Museum
und Shedd Aquarium vorbei und anschließend umkreisten wir
das Adler Planetarium, alles Sightseeingziele die wir teilweise
noch auf dem Programm hatten, genau 5 Kilometer legten wir zum einrollen
zurück. Fast wieder zurück am Hotel konnten wir schon
einen der schnellen Kenianer beobachten, Otto heftete sich mal kurz
an seine Fersen um ihm zu zeigen "Junge, hier sind deine Gegner".
Fast alle anwesenden Marathonläufer nutzten in den darauffolgenden
Tagen diese wunderbare und ideale Gelegenheit an der Küstenlinie
für ihre Trainingsläufe. Da waren bestimmt auch einige
der Favoriten für’s Rennen dabei, das konnte man schon
am Laufstil und an der Art des Trainings erkennen, da wurde nicht
nur langsam gejoggt. Günther war nicht dabei, er litt schon
seit 3 Wochen unter einem Muskelfaseranriss und war seitdem nicht
mehr gelaufen, den Marathon und Chicago wollte er sich aber dennoch
nicht entgehen lassen.
Nach dem Frühstück ging’s gleich zu ersten Sightseeingtour,
unser Weg führte gleich in den erst seit 2004 bestehenden Millenniumpark.
Hier gibt es tolle Kunstwerke ohne irgendwelche Eintrittsgelder
zu bewundern. Cloud Gate nennt sich eine imponierende 110 Tonnen
schwere, aus 168 Stahlplatten zusammengeschweißte und hochglanzpolierte
Stahlskulptur. Mit einer Länge von 22 Metern, einer Breite
von 14 Metern und einer Höhe von elf Metern gehört die
Skulptur zu den größten in der Welt, auf dessen Oberfläche
sich der Park und die Skyline der Stadt wiederspiegeln. Wir hatten
sie am frühen Morgen noch fast alleine für uns und könnten
sie ausführlich inspizieren und die Spiegelungen beobachten.
Mario legte sich gleich in der horizontalen Lage unter das Kunstwerk
um ein paar ausgefallene Schnappschüsse zu machen.
Gleich nebenan befindet sich das Herzstück des Parks, der Jay
Pritzker Pavillon. Konzipiert als Aufführungsort für Freilichtkonzerte,
beeindruckt diese futuristische Freiluftarena mit einem Überbau
aus Edelstahlbändern, die den Eindruck erwecken, sich im Wind
zu wiegen sowie einem Spalier aus kreuz und quer verlaufenden Stahlrohren,
bei den Konzerten die hier statt finden, können bis zu 11.000
Menschen zusehen, man sieht ihm diese Kapazität aber wirklich
nicht an.
Dann machten wir uns immer an der Küstenlinie entlang, alles
zu Fuß natürlich, auf dem Weg zum Navy Pier mit seinen
Unterhaltungsgeschäften. Eine Fahrt mit dem "Ferris Wheel",
ein Riesenrad mit toller Übersicht auf den Lake Michigan und
auf die Skyline der Stadt aus luftiger Höhe ließen wir
uns nicht entgehen.
Wir hatten genug vom Rummelplatz und machten uns auf den Weg zum
John Hancock Center. Mit seinen 100 Stockwerken ist es das drittgrößte
Gebäude von Chicago, von der Beschreibung her soll es hier
die schönste Aussicht über die Stadt geben. Im 96 Stock
befindet sich das Restaurant & Bar "Signature Lounge",
um die Auffahrtsgebühr von 12 $ pro Nase zur Aussichtsplattform
zu sparen, die im übrigen noch ein Stockwerk tiefer lag als
die Bar, fuhren wir gratis dorthin, genau 50 Sekunden Fahrzeit brauchte
der Lift um nach oben zu kommen. Für 5 Bier und 1 Cocktail
mussten wir dafür aber auch 65 $ löhnen. Aber wann kann
man schon mal die Kehle in über 300 m Höhe durchspülen.
Danach war noch Shopping angesagt, das Macys lag als erstes auf
dem Weg durch die Magnificent Mile mit seinen weit bekannten Geschäften
und Designershops. Gabi, Günther und ich statteten noch dem
John G. Shedd Aquarium einen Besuch ab, natürlich alles wieder
zu Fuß, während Otto, Mario und Gerhard weiter die Einkaufsmeile
durchstöberten um was für ihre Lieben zu finden. Beim
Abendessen schmerzten uns allen nach den gelaufenen Kilometern gewaltig
die Beine.
Tag 3 Expo
Am Freitag führte unser erster Weg natürlich
auf die Expo, um unsere Startunterlagen in Empfang zu nehmen. Vom
Veranstalter organisiert gab es mehrere Haltestellen in Chicago,
von wo aus man gratis zum riesigen McCormick Place, dem Messegelände
gelangte. Die Downtown-Station am Chicago Hilton war genau 5 Gehminuten
von unserem Hotel entfernt. Wir durften in einen der bekannten gelben
Schulbusse einsteigen, in denen man die Zeichnungen der Schüler
bewundern konnte. In 20 Minuten Fahrzeit waren wir mit Bus direkt
im Riesengebäude, wir mussten nur noch die Rolltreppen hochfahren.
Dieses weltgrößte Messezentrum besitzt rund 47.000 Quadratmeter
Ausstellungsfläche. Unsere Startunterlagen konnten wir ohne
Hektik in wenigen Minuten entgegennehmen und wir konnten sie natürlich
gleich, voller Stolz, vor einer aufgebauten Wand vom Organisator
in die Linse strecken.
Und was dann kam ist eigentlich nur mit zwei Wörtern zu beschreiben:
Wahnsinn und Sensationell!
In den Ausmaßen zu vergleichen mit NYC aber was es hier an
Gratisproben von den über 160 Ständen angeboten wurde,
hatten wir alle in diesem Ausmaß noch nie erlebt. Beinahe
an jedem zweiten Stand konnte man sich irgendwas in die Taschen
oder Rucksack stecken. Jeder von uns verließ die Halle mit
einem prallgefüllten Säckchen an Eiweiß- und Energie-Riegeln,
Elektrolyht-Getränken und irgendwelchen anderen Presenten,
sogar für die daheim geblieben Haustiere war gesorgt, an einem
Stand wurden Katzen und Hundefutter-Spezialitäten verteilt.
Von den direkt vor Ort verkonsumierten Speisen und Getränken
gar nicht zu reden, wir wurden alle richtig satt. Die Sponsoren
hatten sich wahrhaft mächtig ins Zeug gelegt.
Alle namhaften Sportartikelhersteller hatten große
Stände und wer hier seinen Lieblingsschuh nicht zum Sonderpreis
fand, dem konnte auch nicht mehr geholfen werden. Wir deckten uns
alle reichhaltig mit neuen Accessoires, Kleidung und Schuhen ein.
Otto, Mario und mir, hatte es besonders der TT-gelbe Mizuno Rennschuh
angetan. Zum 30-jährigen Jubiläum des Laufes, gab es auch
ein großes Poster mit je einem Bildausschnitt pro Jahr drauf,
1993 lief man hier mit langer Hose, Pudelmütze und …
Schnee, wenigstens das würde uns bei den Vorhersagen erspart
bleiben. Bestens ausgerüstet, versorgt und eingekleidet verließen
wir nach über 3 Stunden Aufenthalt die Halle.
Außer Mario, der fehlte, wir vermuteten dass er sich in irgend
einem Kämmerchen befand um sich mit EPO zu versorgen, um Gerhard
im Rennen wieder eins auszuwischen ;-).
War es am Donnerstag mit ca. 24 Grad noch recht angenehm, wurde
es am Freitag jedoch bereits spürbar schwüler und wärmer.
Vor dem Abflug durchsuchten wir natürlich noch einige Online-Wetterberichte
und da war uns dies auch schon bereits so angekündigt worden,
aber es bestand noch Hoffnung auf einen Wetterumschwung, hier waren
sich die Wetterfrösche aber nicht ganz einig, der eine kündigte
kühlere Temperaturen bereits für Sonntag an, ein anderer
verschob dies auf die nachfolgende Woche.
Tag 4
Mit Gerhard traf ich mich jeden Morgen um 7 Uhr vor dem Hotel, wir
spazierten immer an den Beach oder in den Grant Park zum lesen,
Karten schreiben oder in meinem Fall, mit Notebook bestückt,
zum Bericht schreiben. Am Samstag hatte es bereits zu diesen frühen
Stunden bestimmt 20 C, was sich bis 10 Uhr auf 26 C und am Nachmittag
auf ca. 30 Grad erhöhte, das waren "gute" Aussichten
für den Marathon, Gerhard erwägte hier bereits seinen
angestrebten Rekordlauf, den er mit Mario gemeinsam vor hatte und
der mit einer 3:15 enden sollte, vielleicht mit einer Nachmeldung
auf den Frankfurt Marathon zu verschieben und hier doch nur gemütlich
zu laufen.
Bisher hatten wir alle unsere reichhaltigen Sightseeing-Aktivitäten
zu Fuß unternommen, was immer mit schweren und schmerzenden
Beinen endete. Es bot sich halt einfach an, alles ist innerhalb
kürzester Zeit zu erreichen, besser wäre sicher mit Hinblick
auf den Marathon gewesen, mal auch den Bus zu nehmen. Wir unternahmen
noch eine relativ planlose Fahrt mit der EL, der Chicago Elevated,
sie ist das städtische Haupt-Schienen- und U-Bahn-Verkehrsmittel
in Chicago. Umgangssprachlich wird sie aber als EL bezeichnet, die
ältesten Teile stammen aus dem Jahr 1892. Wir umrundeten einige
mal den Loop mit gelegentlichen Ausstiegen, so bezeichnen Anwohner
den Downtown-Bezirk Chicagos, endlich mal was ohne laufen.
Während eines Zwischenstopps verschlug es uns zwischen die
Skyscraper, wo wir noch einige der berühmten Skulpturen von
Picasso, Miro, Chagall u.a. besichtigten, die hier einfach so rumstehen,
wie überhaupt dieser ganze Stadtbereich, in dem wir uns bewegten,
nur so von Kunstobjekten übersät ist. Wohin man auch geht,
überall gibt’s was zu sehen und überall konnte man
sich ohne irgendwelchen Stress und Hektik bewegen, kein Vergleich
zu Manhattan.
Ganz besonders angetan hatten es uns hier auch die Fensterputzer,
wie sie sich von den Hochhäusern herunterseilten und die Fenster
im Akkordtempo reinigten war schon hochinteressant und imponierend
und ließ uns zu einem längeren Halt verweilen. Unglaublich
sauber und gepflegt ist auch die komplette Stadt, von ihrer windigen
Vergangenheit war auf alle Fälle nichts mehr zu spüren,
ganz im Gegenteil, ich fühlte mich hier wirklich sehr wohl
und nie irgendwie unsicher.
An einer der Chicago River Brücken spielte uns das "Clark
Street Bridge Percussion Orchestra" einen Teil ihres Programms
vor, sie bearbeiteten dabei nur unterschiedliche Brückenteile
mit ihren Trommelstöcken, es hörte sich wirklich gut an.
Während Otto, Gerhard und Mario noch ausgiebig shoppen gingen,
stand bei Gabi, Günther und mir noch der Besuch des Naturwissenschaftlichen
Field Museums auf dem Programm, ausnahmsweise nahmen wir aber einen
Tag vor unserem Lauf mal die EL bis dort hin. Auf dem Stück
Fußweg von der Haltestelle bis ins Museum konnten wir aber
jetzt schon einen kleinen Vorgeschmack für den morgigen Marathon
bekommen, in der Sonne knallte einem die Sonne so richtig auf die
Birne, das zog doch arge Befürchtungen nach sich.
Ich freute mich jetzt aber schon sehr auf Sue, sie ist der Welt
größter und zu 90 % komplettester Tyrannosaurus Rex.
Atemberaubend steht sie vor einem, 12,8 m lang, 4 m hoch und 65
Millionen Jahre alt, das komplette Skelett wiegt 6,4 Tonnen, der
Schädel allein wiegt 300 kg, viel zu schwer für das aufgebaute
Skelett das durch Stahlträgern gestützt wird, daher ist
der Original-Schädel auch in einer Vitrine von Nahem zu bewundern.
Auf dem aufgebauten Skelett ist nur eine Nachbildung, die ist aber
nicht vom Original zu unterscheiden. Jetzt konnte ich mir das Ungeheuer
aus Jurassic Park schon viel besser vorstellen. Zwischen die Zähne
wollte ich diesem Monster nicht kommen. Die komplette Dinosaurierabteilung
war für mich auch das Highlight dieses Museums, es gab noch
die unterschiedlichsten Dino-Skelette bis hin zum riesigen Prontosaurier.
Einen Großteil der weiteren Abteilungen schenkte ich mir dann
doch, ein bisschen wollte ich noch meine Beine für’s
Rennen schonen.
Unser Nachhauseweg führte wieder einmal durch den Grant Park,
der nach dem berühmten General Ulysses Grant benannt ist, hier
konnte man schon sehen, wie weit die Aufbaumaßnahmen zum Marathon
fortgeschritten waren, als ich am Zielbogen vorbei kam, konnte ich
mir ein Foto darunter nicht verkneifen, bereitwillig knipste mich
eine Amerikanerin. Wenn das mal nicht doch ein schlechtes Omen war,
so siegessicher vor dem eigentlichen Rennen? Riesige Mengen an Getränken
wurden in der Zieleinlaufzone deponiert und die Toilettenhäuschen
standen da wie eine Armee in Reih und Glied.
Am Abend statteten wir noch der Pasta Party einen Besuch ab. Sie
ist hier auch ganz anders als sonstwo. Ganz exklusiv im Chicago-Hilton
wird hier gespeist, für einen Eintrittspreis von 25 Dollar.
Dafür gibt’s dann auch kein Gedränge weil es denn
meisten zu teuer ist. Im Preis enthalten sind ein wohlschmeckendes
Nudelbüffett mit verschiedenen Soßen, Gemüse, Salatbar
und sogar Nachspeise und man konnte so oft nachfassen wie man wollte.
Dazu noch Wasser und Gatorade vom Sponsor. Leider gab’s das
bayerische Grundnahrungsmittel hier nicht: ein Bierchen.
Raceday |
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