Im Sommer 2014 stellten Jürgen Englerth und sein Bruder Otto Lam fest, dass die Straße „Bryan Court“ in New Jersey, an der Otto mit seiner Familie lebt, genau 300 Meter lang ist. Irgendwann entschlossen sich die beiden laufbegeisterten Brüder die Straße 100 Mal auf- und abzulaufen. Einfach nur zum Spaß luden sie ein paar Freunde ein, den „Bryan Court 100“ mitzulaufen. Sie rechneten kaum mit Resonanz, aber dennoch fanden sich einige Laufverrückte in New Jersey ein. Inzwischen ist der BC 100 in Insiderkreisen einer der gefragtesten Laufevents in New Jersey, obwohl die Teilnehmerzahl immer klein gehalten wird. In diesem Jahr bringen Jürgen und Otto den BC 100 nach Bayern und damit der Name bleibt, nennt er sich passender Weise „Bavarian Challenge 100“, kurz ebenfalls BC 100
Im Juni erhielt ich die Einladung von Jürgen über facebook und ich fackelte nicht lange. Ein paar Minuten später war ich angemeldet, wobei mir noch nicht bewusst war, dass die BC 100 bereits sechs Tage nach dem Allgäu Panorama Marathon stattfindet. Aber gemeldet ist gemeldet und da gibt es kein Zurück mehr.
Austragungsort ist übrigens der Sportpark in Taufkirchen bei München. Als Veranstalter fungiert die Taekwondo-Abteilung des SV-DJK Taufkirchen, bei der Jürgen nicht nur Mitglied ist. Er ist Taekwondo Großmeister, verfügt also nicht nur über hervorragende Laufqualitäten. Ottos und Jürgens Familie stehen, ebenso wie Mitglieder des SV-DJK Taufkirchen als Helfer bereit. Es läuft also alles in sehr familiärem Rahmen ab.
Familiär ist es dann auch am frühen Samstagmorgen an der Startlinie. 37 Teilnehmer sind bereit die Bavarian Challenge 100 unter die Füße zu nehmen. Nicht alle werden und wollten alle 100 Runden im Sportpark laufen. So ist zum Beispiel auch der kleine Owen Lam mit am Start, der wohl der jüngste Teilnehmer gewesen sein dürfte. Ottos Vater ist bereits 77 und ebenfalls mit dabei. Das kleine Teilnehmerfeld wirkt schon von außen sehr international. Ottos Familie lebt in New Jersey, ursprünglich stammen sie jedoch aus Hongkong und sie können ihre asiatische Herkunft nicht verleugnen. Etwa die Hälfte des Feldes stammt somit aus den USA, während der Rest aus Deutschland kommt. Es wird also ein Deutsch-Amerikanisches Lauffest. Zwei Teilnehmer sind sogar extra deswegen von New Jersey nach Deutschland geflogen, erzählt mir Jürgen noch vor dem Start.
Unmittelbar vor dem Start erklärt Jürgen kurz die Strecke. Da sie ja nur 600 Meter lang und perfekt ausgeschildert ist, gibt es da aber auch später keine Probleme mit der Orientierung. Zudem wird es zwei Startwellen geben, verkündet er. Zuerst startet die Elite, danach die Hobbyläufer. Welcher Welle man zugehört, erkenn man an einem kleinen Aufdruck auf der Startnummer. Ich zähle zur Elite, wer hätte so etwas jemals gedacht. Jürgen will damit das Feld gleich von Beginn an etwas auseinanderziehen, um es den Rundenzählern nicht unnötig schwer zu machen.
Nach einem kurzen Erinnerungsfoto geht es dann los. Jürgen zählt herunter und wir werden auf die Reise geschickt. Kati Schramm und ich wollen den Lauf mal wieder gemeinsam bestreiten und laufen von Beginn an gemeinsam. Die Strecke ist auch schnell beschrieben. Vor dem Eingang der Sporthalle ist Start und Ziel, sowie die gut bestückte Verpflegungsstelle. Danach geht es kurz gerade aus, bevor wir den grünen Teil des Parks erreichen. Wir folgen nun einer langgezogenen Linkskurve, biegen an deren Ende nach links ab, es folgt eine rund einhundert Meter lange Gerade, dann um einen Baum herum wieder nach links und erreichen wieder die Sporthalle. Dort gilt es noch ein kleines „U“ zu durchlaufen und die Runde ist geschafft. Am Ende der ersten Runde sind Kati und ich mit dem Spitzenfeld noch nahezu gleichauf.
Irgendwie stellte ich gleich von Beginn an fest, dass ich noch etwas unrund laufe. Die Oberschenkelvorderseiten sind fest. Nachwirkungen vom vielen Bergablaufen beim APM. Kati geht es auch nicht viel besser und wir hoffen beide darauf, dass sich das einfach irgendwann wegläuft. Obwohl es nicht wirklich besser wird, haben wir dennoch Spaß und drehen Runde um Runde. Hier und da kommen wir auch mit den anderen Teilnehmern ins Gespräch und ich muss feststellen, bei der Bavarian Challenge 100 wird nicht etwas bayerisch gesprochen. Nein, englisch ist hier die Sprache.
Schnell fallen hier auch die wirklichen Topläufer auf, da sie uns überrunden. Bei den Jungs sind das Yannick Kalk und Salomo Normann, die gemeinsam ein tolles Tempo laufen. Bei den Frauen laufen Patrica Rolle und Heike Bergmann, die auch der Nationalmannschaft im Ultralauf angehört, ein irres Tempo. Ihnen folgt die beste Amerikanerin, Tifanny Louie, die ebenfalls sehr locker aussieht.
Die Wolken hängen nach dem nächtlichen Gewitter noch immer sehr tief über Taufkirchen und so bekommen wir etwa in der zehnten Runde auch einige Regentropfen ab. Kati und ich überlegen, ob wir uns die Regenjacke anziehen sollen, verzichteten jedoch darauf, da es sonst zu warm werden könnte. Und so trabten wir im Nieselregen weiter unsere Runden. Meine Schmerzen in den Oberschenkeln verschoben sich nun von vorne zu den Oberschenkelseiten hin und auch Kati lief nicht wirklich locker. Notfalls kriechen wir auf allen vieren über die Strecke, witzelten wir und überspielten damit unsere Bedenken, heute auch tatsächlich das Ziel zu erreichen.
Etwa zehn weitere Runden später hörte dann der Regen wieder auf und ich entschloss mich, mein Laufshirt zu wechseln. Zurück auf der Strecke sagte ich zu Kati, dass wir nun ja nur noch einen Marathon und ein bisserl was vor uns hätten. Sie fand den Kommentar gerade nicht sehr lustig. Als ich mich verbesserte und meinte, na gut, dann halt einen Sechs-Stundenlauf, konnte sie auch nicht wirklich lachen.
Mit dem Rundenzählen kam ich irgendwie nicht mehr richtig klar, aber das wurde uns ja abgenommen und so orientierte ich mich an meiner Laufuhr und entschloss, mich jetzt erst mal in Richtung Marathon zu orientieren. An die weiteren 18 Kilometer wollte ich erst mal nicht denken und so verging Runde um Runde. Irgendwann trennte ich mich dann doch von Kati, ich denke es dürfte so in der 40. Runde gewesen sein. Bei mir war plötzlich der Knoten geplatzt und es lief überraschend gut. Immer wieder mal überrundete ich nun Kati, die sich inzwischen mit Betty Desinger zusammengeschlossen hatte.
|