Am nächsten Morgen erwachten Wolfgang und ich rechtzeitig. Der erste Blick aus dem Hotelfenster war ernüchternd. Der Himmel war grau in grau. Nichts war irgendwie nach einer Auflockerung aussah. Die Temperaturen würde ich mal vorsichtig als dürftig bezeichnen. Positiv war, dass der Regen schon fast als Nieseln bezeichnet werden konnte. Ein kurzes Frühstück genehmigten wir uns noch, danach machten wir uns auf den Weg in Richtung Rheingoldhalle bzw. Rathaus. Dort sollte in knapp über einer Stunde der Startschuss fallen. Nach rund zwanzig Minuten Fußmarsch waren wir angekommen.
Der Regen hatte inzwischen ein Einsehen mit uns und hatte sich verzogen. Die Temperaturen waren nicht unbedingt im Wohlfühlbereich, aber doch auszuhalten. Kurz nach neun Uhr fanden wir uns hinterhalb des Rathauses auf der Rheinallee ein. Den vorgegebenen Startblock zu finden war irgendwie nicht einfach, so reihten wir uns einfach irgendwo ein. Im Nachhinein denke ich, dass wir zu weit hinten waren, denn am Anfang ging es bei unseren Mitstreitern doch sehr bedächtlich zu. Weit über 10.000 Läufer hatten sich nämlich im Startbereich eingefunden. Halb-, Dreiviertel- und der ganze Marathon wurden zeitgleich um halb zehn gestartet. Lediglich die Handbiker durften eine viertel Stunde vor uns auf die Strecke.
So ging es nach dem Startschuss erst mal in Richtung Mainzer Neustadt. Wolfgang und ich versuchten unser angestrebtes Tempo zu erreichen und uns so einzupendeln, was angesichts der zu überholenden Läufer vor uns nicht immer einfach war. Erstes „kleines Highlight“ war nach rund vier Kilometern das Durchqueren des Firmengeländes der Firma Schott, einem der Hauptsponsoren des Mainzer Marathons. Die Firma Schott war früher einer der führenden Hersteller für Fernsehröhren. Dank LCD und Plasma stieg sie wohl noch rechtzeitig auf Photovoltaik und Keramikkochfelder um und ist noch heute ein gut gehendes Unternehmen. Nicht nur die erste Verpflegungsstation erwartete uns auf dem Gelände mit über 125-jähriger Firmengeschichte, sondern auch ein Teil der Belegschaft, die uns anfeuerten und sogar eine eigene Moderation über Lautsprecher anboten.
Danach entließ man uns in Richtung Mainz-Mombach, eine Mischung aus Industrie- und Wohngegend, also unspektakulär. Dennoch hatten sich auch in diesem Bereich einige Zuschauer eingefunden, die wohlwollenden Applaus spendeten. Etwa bei Kilometer 11 fühlte man sich kurz nach Rom bzw. in den Vatikan versetzt. Die Kuppel der evangelischen Christuskirche erinnerte mich stark an die des St. Peter Doms in Rom. Einmal um die Kirche herum ging es weiter in Richtung Landesmuseum Mainz, gut zu erkennen an einem großen goldenen Pferd, Entschuldigung ich wollte natürlich Ross schreiben. Nun näheren wir uns schön langsam aber sicher wieder dem alten Mainz, das Wolfgang und ich am Tag zuvor ja schon besichtigt hatten. Am Gutenbergplatz thront zur Linken das Staatstheater. Das historische Gebäude bekam eine markante Glaskuppel aufgesetzt. Bei welchem Marathon hatte ich so etwas nur schon gesehen … Hmm? Ich glaub, da kam ich nahe dem Reichstag ins Ziel und war ähnlich gut unterwegs wie heute. Rechterhand erblickten wir den bedeutendsten Sohn der Stadt: Johannes Gutenberg – wie schon erwähnt den Erfinder des Buchdrucks – in Bronze. Das erfuhr ich allerdings nicht erst in Mainz – in meiner alten Wirkungsstätte Olching in Oberbayern war sogar eine Straße nach ihm benannt.
So, und nun kam das Highlight des Mainz-Marathons und das ist nicht despektierlich gemeint. Nein wirklich, die Innenstadt ist Wahnsinn. Die tollen Fachwerkhäuser, der Mainzer Dom, zahlreiche Weinstuben säumen nun den Weg und die Zuschauer stehen in Dreier- oder Viererreihen an der Strecke. Den Lärm, den die hier veranstalten ist wohl nirgends anders zu finden. Das ist wohl die Erfahrung aus jahrelanger Fastnachtserfahrung. Gänsehaut-Stimmung! Das letzte Highlight, das wir in der Altstadt passieren ist der Holzturm. Dort saß anno dazumal der „Schinderhannes“ hinter Gittern, bevor er im Mainzer Volkspark hingerichtet wurde. Zumindest von außen hatte er also ein ansprechendes Heim bis zu seinem Tod.
Nach einer kurzen Schleife ins Richtung Mainz-Wiesenau, immer am Rhein entlang, geht es für die Halbmarathonis schön langsam aber sicher Richtung Ziel. Hier verabschiedet sich eine lange Begleiterin von mir …sie trug ein Laufshirt vom Simssee-Halbmarathon bei Rosenheim, was frühzeitig meine Aufmerksamkeit erregte, hatte ich doch dasselbe Shirt auch im Schrank. Sie selbst war aus Mainz, ihr Freund ist aus Rosenheim, wie ich von ihr erfuhr. Wie klein doch die Welt ist. Die letzten zwei Kilometer Richtung Ziel wollte sie nochmal alles geben und verabschiedete sich mit einem Dank für`s Tempomachen. Wolfgang und ich mussten uns jetzt zügeln, um nicht dem Tempo der finalen Meter der Halbmarathonis zu erlegen und auch um die Stimmung rund um uns etwas auszublenden. Es war noch nicht Schluß! Wir hatten erst Halbzeit.
Richtig eingeordnet ging es in die zweite Runde. Die ist nahezu identisch mit der ersten. Nur dass wir bei Kilometer 23 über die Theodor-Heuss-Brücke in Richtung Hessen bzw. Mainz-Kostheim geschickt wurden. Dort ist man offenbar sehr mit unseren Nachbarn, den Österreichern verbunden, die Innsbrucker-, die Wiener- und Salzburger Straße waren nur ein paar Straßen die an unsere Nachbarn erinnerten. Auch ein Kiosk namens „Karl der Österreicher“ war am Straßenrand zu sehen. Auch seine Angebote klangen irgendwie nicht „Meenzerisch“. Das Durchlesen der Straßennamen war aber schon die einzige Abwechslung. Denn hier handelte es sich um ein reines Wohnviertel und was noch dazukam, war ein höllischer Wind. Egal in welche Richtung man lief, er blies immer von vorne. Bei etwas über 26 Kilometer waren wir wieder über den Rhein gelaufen und kamen wieder auf die Strecke der ersten Runde, die sich nahezu mit der zweiten deckte, nur der Ausflug nach Weisenau blieb aus.
Aber im Gegensatz zur ersten Runde gab es eben den einen Unterschied: Wind! Nachdem man permanent gegen ihn ankämpfen musste, erkannte ich auch frühzeitig, dass es nicht mehr klappen würde mit einer Zielzeit von Sub4. Das war ja eigentlich auch schon nach dem Halbmarathon etwas unrealistisch, aber doch noch im Hinterkopf. Bei etwa Kilometer 32 wurde es wieder etwas ruhiger am Streckenrand und man hatte Zeit, um zu rechnen und zu überlegen. Ich wusste, dass ein Durchlaufen in diesem Tempo kaum möglich ist und so entschloss ich mich, etwas Tempo rauszunehmen und das war letztendlich auch gut so. Etwa 5 Kilometer vor dem Ziel, musste ich dem ständigen Ankämpfen gegen den Wind Respekt zollen und hier und da kleine Gehpausen einlegen. Auch Wolfgang hatte dem nichts entgegenzusetzen. Einen kleinen Auftrieb bekamen wir wieder in der Altstadt, als die letzten drei Kilometer abzuspulen waren. Von weitem vernahm ich ein „Hi Greppi“ Auf der Begegnungsstrecke entdeckte ich Kati, die auch etwas angespannt aussah. Sie war nur rund 800 Meter vor uns. Wir konnten sie zwar bis zum Ziel nicht mehr einholen, aber wohl den Abstand aufrecht erhalten und so wurden wir im Ziel auch von ihr erwartet. Fertig, aber glücklich fielen wir uns in die Arme.
Mit 4:14:21 Stunden hatte ich doch eine „Nach-dem-Bandscheiben-Vorfall“-Bestzeit gelaufen und war hochzufrieden. Keine Sekunde trauerte ich um die verpasste Sub4. Wolfgang war genaue eine Sekunde schneller als ich, Kati hatte rund vier Minuten Vorsprung auf uns. Wir versorgten uns noch kurz mit Cola und ähnlichen Getränken, danach hieß es von Kati Abschied zu nehmen. Wolfgang und ich machten uns auch bald auf den Weg in Richtung Hotel. Am Fastnachtsbrunnen machten wir noch kurz Halt und relaxten in der inzwischen kräftigen Sonne. Bevor ich mich ins hoteleigene Schwimmbad unseres Hotels begab, konnte ich sogar noch den Sieg von Fernando Alonso im Fernsehen mit verfolgen. Filipe Massa auf Rang drei. Für mich als Ferrari-Fan seit Kindheitstagen war die Welt für heute in Ordnung. Abends noch zum guten Italiener und am nächsten Tag hing es nach Hause.
Hab ich doch in meinen letzten Berichten allzu oft den „Herrn Petrus“ gerügt, möchte ich ihn diesmal loben. Die paar Regentropfen unterwegs seien ihm verziehen, auch der Wind war letztendlich nicht dramatisch. Wenn er noch ein bisschen am Feintuning arbeitet, wird`s vielleicht doch noch was mit Sub4.
|