Nach
einem regenreichen Samstag ist für den Marathontag wieder eine
Rückkehr des Sommers vorhergesagt. Bei meiner frühmorgendlichen
Anreise wird mir aber die Allgäuer Bergwelt erstmal noch durch
eine dichte Hochnebeldecke verhüllt, es liegt schon fast so
etwas wie eine leichte Herbststimmung in der Luft. Problemlos erreiche
ich Sonthofen, die am südlichsten gelegene Stadt Deutschlands,
eingebettet zwischen dem oberen Iller- und Ostrachtal und umgrenzt
von den Oberallgäuer Bergen. Von einer internationalen Fachjury
wurde sie zur "Alpenstadt des Jahres 2005" ausgezeichnet.
Gut ausgeschildert und ohne langes Suchen erreiche ich das Erlebnisbad
Wonnemar, wo der Zielbereich aller Läufe untergebracht ist.
Nach dem Lauf dürfen wir uns ein Gratis Bad in der Anlage genehmigen.
Schon auf der Straße begrüßt mich Magic, der eigentlich
auch wie ich vor zwei Wochen beim abgesagten Walchensee-Marathon
starten wollte und dafür hier teilnimmt. Georg trifft gleich
darauf auch am Parkplatz ein, er läuft den Halbmarathon.
Das Ziel ist allerdings nicht identisch mit dem Start- und Nachmeldebereich,
sondern er liegt 800 Meter weiter am Allgäu Outlet. Praktischerweise
lässt sich das gleich mit Einlaufen verbinden …wer’s
braucht, ich laufe heute lieber etwas gemütlicher an und erspare
mir das. Am Startplatz sind noch alle entspannt, alles ist überschaubar
und Hektik herrscht auch keine, immerhin gibt es für den Marathon
fast 200 Voranmelder, das prognostizierte Wetter wird sicherlich
zudem noch einige locken. Um 9 Uhr soll der Start erfolgen, 3 Stunden
nachdem man hier schon die harten Ultra-Trailer von der Leine gelassen
hat. Dazu folgen um 10.15 Uhr noch rund 400 Halbmarathonläufer/innen.
Tanja und Otto, die den HM bestreiten, sind auch schon zu so früher
Zeit unterwegs. Ursprünglich war Otto noch ganz scharf darauf,
auch einmal einen Bergmarathon "Aufwärts" zu bezwingen,
doch leider hat ihn dann der Mut verlassen und er hat sich Tani
beim HM angeschlossen.
So langsam und gemächlich formieren sich die Marathonis für
ihren Start, der einzige der etwas ins Schwitzen kommt ist der Mann
an der Zeitnahme, aber pünktlich schafft er es noch seine Messstation
in Betrieb zu nehmen.
Über die Immenstädter Straße und Illerbrücke
verlassen wir recht schnell das Stadtgebiet und laufen etwa einen
Kilometer an der Iller entlang bis zum Sonthofener See. Allzu einladend
ist er unter der Wolkendecke aber noch nicht, Ausflügler sind
auf alle Fälle noch keine zu entdecken. 2 km hat man uns Zeit
zum Einlaufen gegeben und schon beginnt ab Bihlerdorf der Anstieg,
erstmal noch geht es relativ human auf einer Teerstraße ca
2 km hoch. Die Herde Schafe die an einem deutlich steilerem Stück,
rechts oberhalb des Weges grasen, haben ihren Aufstieg schon hinter
sich, für frisches Futter ist ihnen alles recht.
Über einem Trampelpfad überqueren wir eine saftig grüne
Wiese, gleich danach ist auch für uns die erste Futterstelle
bei km 5. Frisch gestärkt legt die Steilheit des Weges jetzt
deutlich zu und der Gipfelsturm auf den Weiherkopf beginnt. Eigentlich
sind es ja fast drei Gipfel, aber Ofterschwanger und Rangiswanger
Horn passieren wir immer etwas unterhalb.
Nach 40 Minuten erreiche ich die Wolkengrenze, unser Weg führt
gerade auf einem rustikalen Trail durch ein Waldstück, die
Lichtverhältnisse sind im Wald stellenweise reicht diffus.
Aber nur nach 5 Minuten sind wir durch und durch die Bäume
kann man schon das gleißende Sonnenlicht ausmachen. Wir sind
über den Wolken und der Planet strahlt in voller Pracht, da
hat sich doch der Aufstieg schon gelohnt. Die Aussicht auf die Allgäuer
Alpen wird immer besser, absolut empfehlenswert ist auch mal ein
Blick zurück, nicht im Zorn sondern genussvoll, um den "Wächter
des Allgäus" zu bewundern.
Gemeint ist damit der 1738 m hohe Grünten, der Hausberg Sonthofens.
Aufgrund seiner markanten Lage am Alpenrand hat er diesen Kosenamen
erhalten. Auf dem Gipfelgrat wurde 1951 ein 94,5 m hoher Sendeturm
des Bayerischen Rundfunks errichtet, daher ist er unverkennbar.
Eine Allgäuer Volksweisheit besagt: "Trägt der Grünten
einen Hut, wird das Wetter morgen gut. Trägt der Grünten
einen Degen, gibt es andern Morgens Regen". Wie soll ich seinen
jetzigen Zustand denn deuten, oben ist er blank und unten trägt
er ein Wolkenröckchen, ich interpretiere mal, heut wird’s
noch sauwarm. Egal, der Anblick ist einfach begeisternd.
Die Weltcuphütte unterhalb des Ofterschwanger Horns erreichen
wir nach 9 km, kurz davor gibt es für uns wieder Flüssigkeit
und Happa-Happa. Das zünftige Bergrestaurant bietet einen Logenplatz
mit phantastischem Ausblick in alle Himmelsrichtungen: Nach Süden
ins Allgäuer Hochalpental, nach Westen ins Gunzesrieder Tal,
Ostertal und zur Nagelfluhkette, nach Norden ins Alpenvorland und
nach Osten ins Illertal und zu den Sonnenköpfen. Aber heute
ist die Hütte noch verwaist und wir wollen auch nicht einkehren
nach den wenigen zurück gelegten Kilometern.
Deutlich mehr los sein wird hier wohl im Winter, bereits 5 Mal gastierte
der FIS-Damenweltcup hier in Ofterschwang, zuletzt wurden im März
zwei Weltcup-Rennen im Slalom und Riesenslalom ausgetragen, wo sich
Maria Riesch mit ihrem 5. Platz den Sieg im Slalom Weltcup sicherte.
Auf unserem weiteren Weg dürfen wir selbst auch einen Slalom
bewältigen, aber nicht durch Torstangen, sondern durch eine
Horde Rindviecher, die uns den Weg versperren. Aber sie machen dann
doch unspektakulär den Weg frei. Das Exemplar mit dem stacheligen
gelben Piercing am Wegesrand, könnte aber dem Einen oder Anderen
schon etwas Angst einjagen.
Gleich danach, etwa nach 10,5 Kilometern beginnt für mich das
Sahnehäubchen dieser Strecke. Ein uriger Trail über Wurzeln
und Steine führt uns im Wald an einem Hang entlang. Meine Kamera
stecke ich mal vorsichtshalber ein, das verlieren des Gleichgewichts
könnte nämlich fatale Folgen haben. Links der Strecke
geht’s "gach owie" (O-Ton Bayerisch), was soviel
wie "steil nach unten" bedeutet. Eine herrliche Vegetation
mit blühenden Blumen begeleitet uns auf dem Weg.
Nach 13 km und 1:43 Std. erreiche ich den Gipfel des Weiherkopfs,
zugleich der höchste Punkt der Strecke auf 1665 m. Wer jetzt
meint, es folgt beim Bergablauf ein Erholungsstück, wird schnell
eines Besseren belehrt, sausteil, teilweise auf Schotter geht’s
die folgenden 500 m runter. Erschwert wird das Ganze noch durch
regen Gegenverkehr, viele Wanderer sind um diese Uhrzeit unterwegs.
Aber wirkliche Probleme gibt es deswegen nicht, man muss aber schon
etwas vorsichtig sein.
An einer 180 Grad Kurve stehen jede Menge Zuschauer und jubeln uns
zu, das steilste Stück liegt hier hinter uns, was folgt ist
wieder angenehmer zu laufen. Nach weiteren 500 m führt der
Weg über das Berghaus Schwaben für zwei Kilometer wieder
tendenziell nach oben. Bei km 16 kommt die Gabelung, die die Marathon-
von der Ultra-Trail-Strecke trennt. Für uns Marathonis geht
es jetzt fast 10 km nur bergab.
Auf überwiegend Teer- oder guten Wirtschaftswegen schlängeln
wir uns in Serpentinen nach unten. Die tiefliegende Wolkenschicht
hat sich mittlerweile vollkommen aufgelöst, den Großteil
der Piste laufen wir in der prallen Sonne. Mehr Probleme bereitet
mir aber nach einigen äußerst anstrengenden Abwärtskilometern
meine Schienbeinkante, weswegen ich mein Tempo doch deutlich drosseln
muss.
Den Ortseingang von Obermaiselstein passieren wir bei km 25. Typische
alpenländische Holzschnittarbeiten kann man hier am Wegesrand
beobachten, dann geht’s links rein in den Schatten. In einem
größerem Bogen umrunden wir hauptsächlich in Waldgebieten
und an einem kleinen Flüsschen entlang die Ortschaft Fischen.
Die Temperaturen kann man jetzt spürbar als sommerlich bezeichnen.
Kurz nach der Verpflegungsstelle bei Weiler (km 27) erreichen wir
den Illerdamm, hier vereinigt sich die Marathonstrecke mit der des
Halbmarathon, wie uns deren Ausschilderung unschwer erraten lässt.
Im Übrigen ist jeder Kilometer vorbildlich ausgeschildert.
Vor dem Ortseingang Fischen werden wir aber wieder nach links abgeleitet
in einen Schatten spendenden Wald. Hier ist es recht angenehm zu
laufen. Die nächste Möglichkeit nachzutanken bietet sich
kurz vor einer Illerbrücke. Nicht weit von hier liegt der Ursprung
des Flusses, etwa 2 km nördlich der Innenstadt von Oberstdorf
liegt der Illerursprung. An dieser nur zu Fuß oder per Rad
erreichbaren Stelle fließen die aus dem Kleinen Walsertal
kommende Breitach, dazu die Stillach und die Trettach zur Iller
zusammen.
Ab km 32 gibt es auf ca. 500 m Länge etwas Abwechslung in Form
einer Begegnungs-strecke, an deren Ende eine Markierung umrundet
werden muss, bevor es in entgegen gesetzter Richtung zurück
geht. So bietet sich die kurze Gelegenheit, die etwas vor und hinter
einem liegenden zu studieren. Vor Rubi geht es querfeldein über
eine frisch abgemähte Wiese, auf den folgenden 1,5 km gilt
es noch einmal 100 Höhenmeter aufwärts zu überwinden.
Die letzten fast 6 Kilometer werden auf dem schattenlosen, fast
schnurgeraden Illerdamm noch einmal zu einer letzten physischen
und für viele wohl auch psychischen Herausforderung, bevor
man das Ziel im Wonnemar erreicht. Mit mir treffen auch schon die
ersten Ultra-Trail-Bezwinger ein, die letzten 20 Meter vereint unser
jetzt wieder die Strecke.
Im Ziel erwartet mich schon Georg, mit 1:27 hat der den Stockerlplatz
in der AK beim HM nur knapp verpasst. Magic treffe ich im Ziel nicht
mehr, da er schon im Bad liegt. Er hat wieder ordentlich Gas gegeben,
war genau eine Stunde schneller als ich, was ihm den 19. Platz in
der Marathon-Gesamtwertung und den 4. Platz in der AK eingebracht
hat, zum dritten fehlten im dann aber doch über 10 Minuten.
Ebenfalls im Bad verweilen bereits Tani und Otto die ihre Läufe
auch gut absolvierten.
Die Veranstalter haben in kürzester Zeit wirklich einen empfehlenswerten,
aber immer noch überschaubaren Marathon ins Leben gerufen.
Gespannt bin ich natürlich auf die Berichte vom Ultra Trail
– erste Stimmungen konnte ich ja schon einfangen – den
habe ich mir für’s nächste Jahr schon Rot im Terminkalender
vorgemerkt. Den wunderschönen Tag kann ich noch mit einem erfrischenden
Bad im Wonnemar abrunden. |